Wien. Mit 31.12.2015 endet die Übergangsfrist zur Beseitigung von baulichen Barrieren in und zu Räumlichkeiten, in denen öffentlich Güter und Dienstleistungen angeboten werden.
Unter diese Regelung fallen nicht nur Geschäfte, sondern auch Restaurants, Banken, Arztpraxen, Büros u.v.m.
Es gibt mehr Barrieren
Am 17.4. fand zu diesem Thema ein Stadtmarketing Austria Praxistag in Kooperation mit den Wiener Einkaufsstraßen zu diesem Thema statt. Die Referenten, darunter Behindertenanwalt Erwin Buchinger und Architektin Ursula Spannberger, thematisierten die große Bandbreite des Begriffs „Barriere”, der allzu oft auf die bauliche Gestaltung von Räumlichkeiten reduziert wird. Aber nicht nur Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, sondern auch seh- oder hörbehinderte, geistig oder psychisch eingeschränkte Personen stoßen in ihrem alltäglichen Leben häufig auf Barrieren; diese Personengruppen machen in Österreich ca. 20% der Bevölkerung aus. Optimierungspotenzial hinsichtlich der barrierefreien Nutzung des öffentlichen Raums zeigte Maria Grundner von der Mobilitätsagentur Wien auf. Für Menschen im Rollstuhl können nicht nur Stufen, sondern auch zu steile Rampen-Neigungswinkel, Unebenheiten im Kopfsteinpflaster oder Fugen im Straßenbelag Hindernisse darstellen.
Zum Abbau von Barrieren
Erwin Bauer vom Wiener Design-büro für visuelle und räumliche Kommunikation „buero bauer” erläuterte, wie Orientierungssysteme gestaltet sein müssen, um auch Nutzer mit Behinderungen alle relevanten Informationen zu liefern. Ein Vorzeigeprojekt für Inclusive Design stellt der Campus WU Wien dar, wo eine intelligente Kombination aus analogen, digitalen, taktilen und akustisch erfahrbaren Medien eingesetzt wurde. Die Expertin für zeitgemäße Kommunikation und Umgang mit Vielfalt, Dorothea Brózek, betrachtet Barrierefreiheit als einen Prozess. „Zu Beginn dieser Entwicklung muss eine klare Entscheidung zur Barrierefreiheit stehen, welche sukzessive in alle Unternehmensbereiche hineingetragen wird.” Ein erster Schritt könnte z.B. darin bestehen, Behindertenorganisationen zu einer Begehung der Firmenräumlichkeiten einzuladen oder die Unternehmens-Webseite auf deren eAccessibility testen zu lassen. Weitere Ideen zum Abbau von Barrieren umfassen z.B. Lupen für sehbehinderte Personen, Speise-karten in Braille-Schrift, Broschüren in leicht verständlicher Sprache, induktive Höranlagen im Kassenbereich u.v.m.
Auf Schadenersatz klagen
Nach Ablauf der Übergangsfrist (31.12.2015) können Menschen mit Behinderung im Falle einer Diskriminierung auf Schadenersatz klagen, woraufhin es zuerst zu einem kostenlosen Schlichtungsverfahren durch das Bundessozialamt kommt. Erst wenn dieses erfolglos bleibt, kann ein Gerichtverfahrenfolgen. Ist die Beseitigung der Barriere rechtswidrig (aus Denkmalschutzgründen) oder wegen unverhältnismäßiger Belastungen unzumutbar, muss die größtmögliche Annäherung an die barrierefreie Nutzung umgesetzt werden.„Ich sehe großen Nachholbedarf bei zahlreichen Gebäuden und empfehle dringend, fachlichen Rat bei ausgebildeten und zertifizierten Experten einzuholen”, fasst Behindertenanwalt Erwin Buchinger zusammen.