••• Von Alexander Haide
WIEN. Das Thema Fachkräftemangel, das längst einen allgemeinen Mangel an Arbeitskräften bezeichnet, wird zum Dauerbrenner. Neben vielen anderen Maßnahmen, die mehr Menschen in Arbeit bringen sollen, nimmt man nun erneut die Zielgruppe der Frauen ins Visier. Zu wenige sind in Vollzeitbeschäftigung, monieren die Sozialpartner und der Handelsverband unisono.
Mehr Betreuungsplätze
Der Handel ist weiblich, denn 72% der Angestellten sind Frauen – das war der Ausgangspunkt eines „Kinderbetreuungsgipfels”, zu dem die Sozialpartner und der Handelsverband im Jänner zusammenkamen. Die Krux: Nur ein Bruchteil der beschäftigten Mitarbeiterinnen verfügen über eine Vollzeitanstellung. Sie sei aber eine der Voraussetzungen, um dem eklatanten Arbeitskräftemangel, den auch der Handel immer stärker zu spüren bekommt, entgegenzuwirken.
Die Forderung klingt simpel, die Umsetzung ist es nicht. Für die Steigerung der Vollzeitquote wäre es essenziell, dass Frauen, die noch immer den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung übernehmen, größtmögliche Entscheidungsfreiheit haben. Daher fordert der Handelsverband ebenso wie die Sozialpartner eine bessere Kinderbetreuung und Kinderbildung in Österreich.
„Investitionen in die Kinderbetreuung sind die besten Investitionen für unsere Zukunft. Davon profitieren nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern. Sie können sich auch beruflich besser freispielen und Stunden erhöhen oder sogar in Vollzeit arbeiten, was auch dem vorherrschenden Arbeitskräftemangel entgegenwirken würde. Ein Win-win-win!”, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Höhere Bildungsrendite
Karin Saey, Vizepräsidentin des Handelsverbandes und Leiterin des Bereichs Handel im Dorotheum bringt es auf den Punkt: „Elementare Betreuungseinrichtungen sind die ersten Orte für Bildung. Je früher hier in die Anzahl der Ganztages-Kinderbetreuungsstellen sowie in Qualität durch Verringerung der Gruppengrößen und Verbesserung der Rahmenbedingungen investiert wird, desto höher ist die Bildungsrendite und die Wahlfreiheit für Frauen, früher wieder Vollzeit in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Daher fordern wir einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr, leistbar und flächendeckend in ganz Österreich.” Nur wenn die Öffnungszeiten in den Einrichtungen so gestaltet seien, dass damit eine Vollzeitbeschäftigung vereinbar ist, sei auch eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichergestellt.
Ganztagsbetreuung
Auch eine im September 2022 veröffentlichte Analyse der Agenda Austria belegt, dass ein gutes Angebot an Ganztageskinderbetreuung eine zentrale Voraussetzung für eine hohe Frauenbeschäftigung ist. Die Teilzeitquote korreliert nachweislich mit fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen.
Im Zuge der kürzlich gestarteten Verhandlungen zum Finanzausgleich wolen sich auch Städte- und Gemeindebund unter anderem für mehr Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung bzw. die Ausweitung der Öffnungszeiten einsetzen.
Leistung muss sich lohnen
Ein weiteres – gemeinsames – Anliegen der Sozialpartner und des Handelsverbands ist die unverzügliche Wiederaufnahme von Verhandlungen zu der derzeit auf Eis liegenden Arbeitsmarktreform, ein zentrales Projekt von Arbeitsminister Marti Kocher. Das Problem: Oftmals kündigen Mitarbeiter nach kurzer Zeit der Anstellung wieder, melden sich arbeitslos und verdienen geringfügig dazu, um damit ein ähnlich hohes Nettoeinkommen wie zuvor zu erzielen.