Wien. Die Abschaffung der Zinsen durch die EZB lässt nicht nur Sparer trauern, sie stellt auch Lebensversicherer vor große Probleme, denn sinkende Zinsen nagen an der Attraktivität der klassischen Lebensversicherung.
medianet sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden der Allianz-Gruppe in Österreich, Wolfram Littich, über den Geschäftsverlauf und über Strategien.
medianet: Wie lief das Lebens-Geschäft in den letzten Monaten?Wolfram Littich: Die vorläufigen Ergebnisse für das Gesamtjahr 2014 werden im Rahmen der Pressekonferenz vom 5. März 2015 präsentiert – deshalb nennen wir als aktuellste Zahlen zur Geschäfts-entwicklung das Ergebnis nach den ersten neun Monaten 2014: Zum Ende des dritten Quartals 2014 konnte die Allianz Gruppe in Österreich in der Lebensversicherung gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres steigende Prämieneinnahmen verzeichnen, die abgegrenzten Bruttoprämieneinnahmen legten von 285,5 Millionen Euro in den ersten neun Monaten 2013 um 2,6% auf 293,0 Millionen Euro zu.medianet: Wie sehr treffen Sie die niedrigen Zinsen?Littich: Das Niedrigzinsumfeld ist eine Herausforderung für die gesamte Versicherungs-Branche. Als Allianz sind wir die Versicherungsgesellschaft mit dem besten Rating in Österreich (Anmerkung: Standard & Poor’s: AA, stabiler Ausblick). Bei der Allianz beträgt die gesamte Gewinnbeteiligung aktuell in der Lebensversicherung (abhängig vom Produkt) 3,3% bis 3,6% – die höchste in der Branche. Der Garantiezins wird übrigens durch die FMA für die gesamte Branche festgelegt, dieser liegt aktuell bei 1,5%. medianet: Merken Sie Rückgänge beim LV-Verkauf wegen des gesunkenen Garantiezinses?Littich (kryptisch): Aktuell setzt sich der Trend von 2014 fort.medianet: Haben Sie Strategien dagegen entwickelt? Littich: Wir setzen auf Bewusstseinsbildung im Rahmen von persönlichen Beratungsgesprächen, um unsere Kunden über die zukünftigen Bedarfslagen aufzuklären: Die größten gesellschaftlichen Herausforderungen sehen wir im demografischen Wandel, einem strukturellen Trend mit potenziell dramatischen Auswirkungen, wie Prognosen zeigen:
Ein Risiko ist nämlich die Langlebigkeit: Jedes zweite heuer Neugeborene wird 100 Jahre alt. Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt pro Jahr um drei Monate. Ein weiteres Risiko ist Alters-armut: Im Jahr 2011 waren 43% aller österreichischen Frauen über 65 Jahren verwitwet. Derzeit haben in Österreich Frauen eine um fünfeinhalb Jahre höhere Lebenserwartung als Männer (82,7 Jahre vs. 77,2 Jahre), ab dem Alter 65 leben Frauen im Durchschnitt um 3,3 Jahre länger als Männer, nämlich durchschnittlich 20,6 Jahre. Frauen in Österreich sind von Altersarmut dreimal öfter betroffen als Männer.
medianet: Gibt es noch weitere Risiken?Littich: Auch Fixkosten im Alter sind zweifellos ein Risiko: De facto kann heute niemand genau voraussagen, wie hoch seine staatliche Pension in 20, 30 oder mehr Jahren sein wird. Das Einzige, was wir aus heutiger Sicht relativ treffsicher für die nächsten Jahrzehnte prognostizieren können, ist die Höhe der Fixkosten, die auch nach dem Berufsleben weiterlaufen und an der Pension knabbern. Bei einer angenommenen Indexanpassung von jährlich 2% werden aus Fixkosten von derzeit 700 Euro in 35 Jahren doppelt so viel – nämlich 1.400 Euro.
Zu den drohenden Risiken gehört auch Berufsunfähigkeit: Etwa jeder fünfte Österreicher ist aufgrund von Berufsunfähigkeit in Pension.Jeder sechste 40-Jährige erlebt seinen 65. Geburtstag nicht - Ableben ist daher ein Risiko.Ein weiteres Risiko ist die Pflegebedürftigkeit: 2060 wird jeder dritte Österreicher über 65 pflegebedürftig sein – rund eine Million Menschen in absoluten Zahlen.Und schließlich gibt es noch das Risiko der finanziellen Repression: Wer sein Geld nur auf Sparbüchern parkt, verliert Geld. Wenn Zinsen und Inflation auf einem ähnlichen Niveau wie jetzt bleiben, müssen Sparer innerhalb der nächsten zwanzig Jahre einen realen Wertverlust von 40% hinnehmen.
medianet: Wie lange, meinen Sie persönlich, könnten die Zinsen noch so niedrig bleiben?Littich: Wir sehen hier derzeit in Europa noch keine Trendwende.