••• Von Britta Biron
WIEN. Der Marketingbereich ist in den letzten Jahren – vor allem durch neue digitale Kommunikationskanäle und Tools – vielfältiger und größer geworden, das Tempo im Verkauf und der Produktentwicklung gleichzeitig höher, und immer neue Trends beeinflussen das Kaufverhalten einer zunehmend fragmentierten Zielgruppe. In einem solch dynamischen Marktumfeld ganz bewusst auf Agenturen zu verzichten und sämtliche Marketing-Agenden im eigenen Haus zu konzipieren und umzusetzen, scheint auf den ersten Blick kontraproduktiv.
„Die Werbebranche hat auf unsere Entscheidung klarerweise mit Unverständnis reagiert, die Erfahrungen nach rund eineinhalb Jahren Inhouse-Marketing zeigen aber klar, dass es für uns der richtige Weg ist”, erklärt Erik Hofstädter, Leiter Strategie, Marketing und Innovation bei der Nöm AG. „Wir können jetzt rascher und effizienter agieren und das war ja auch unser vorrangige Ziel bei der Neuorganisation des Marketings.”
Dass diese Strategie darüber hinaus auch finanzielle Vorteile bringt, sei ein angenehmer Nebeneffekt. „In Summe beträgt die Einsparung etwa fünf Prozent unseres Budgets. Das ist nicht viel, aber es sind immerhin Mittel, die wir jetzt für zusätzliche Marketingmaßnahmen einsetzen können.”
Eine Agentur hat oft andere …
Viel wichtiger sei, dass man sich unproduktive Leerläufe sparen kann. Während flache Hierarchien und kurze Wege in vielen Unternehmen längst an der Tagesordnung sind, sieht Hofstädter auf Agenturseite hier noch viele Optimierungsmöglichkeiten: „Die internen Strukturen sind zu behäbig – viele Häuptlinge und wenige Indianer – und damit einfach nicht mehr zeitgemäß. Da bespricht man in einem Meeting zum Beispiel ein neues Sujet und auf die Frage nach dem passenden Claim hört man dann, der Texter müsse dazu erst noch gebrieft werden”, nennt er als Beispiel für zu langsame Abläufe.
… Ziele als der Kunde
Für seinen Geschmack zu flott sind die Agenturen dagegen, wenn es darum geht, alte Kampagnen möglichst rasch durch neue zu ersetzen. „Gutes Marketing lebt nicht vom ständigen Wandel, sondern braucht auch ein gewisses Maß an Kontinuität. Gut ist Werbung dann, wenn sie bei der Zielgruppe ankommt, wenn sie Produkte verkauft – und das passiert nicht unmittelbar, sondern braucht Zeit. Die Auszeichnung mit einem Werbepreis ist aus Kundensicht dagegen kein Qualitätskriterium. Das nützt höchstens der Agentur selbst.”
Externer Input …
Die Gefahr, dass durch den Verzicht auf eine Agentur kreativer Input von außen verloren geht – ein gängiges Argument, das immer wieder gegen Inhouse-Strategien vorgebracht wird – sieht Nöm-Marketingleiterin Veronika Breyer nicht: „Erstens betrifft die Arbeit einer Agentur ja nicht nur die Kreation, viele Aufgaben sind rein organisatorischer Natur. Und zweitens haben Agenturen kein Monopol auf neue Ideen. Die bekommt man auch von TV-Stationen oder Verlagen. Deren Motivation, gemeinsam mit Kunden neue Konzepte zu entwickeln, die genau zum jeweiligen Format und der Zielgruppe passen, ist sehr hoch und sie verfügen auch über das notwendige fachliche Know-how”, kommentiert die Marketingexpertin ihre durchwegs positiven Erfahrungen aus der direkten Zusammenarbeit mit verschiedenen Medienunternehmen.
… ist weiterhin wichtig
Einen weiteren Vorteil der Inhouse-Lösung sieht Breyer darin, dass sie und ihr Team (aktuell drei Product Manager und zwei Grafiker) die eigenen Produkte aus dem Effeff kennen und auch die Identifikation mit der Marke Nöm hoch ist. Die räumliche Nähe zu den anderen Abteilungen, etwa Produktentwicklung, Produktion oder Verkauf, sorgt ebenfalls für flüssigere Abläufe.
Und was, wenn es bei der Konzeption einer Kampagne einmal hakt und der entscheidende Funke fehlt?
„Bei Bedarf arbeiten wir durchaus mit externen Kreativen zusammen. Das haben wir im Vorjahr zum Beispiel bei der fru fru-Kampagne getan”, erklärt Hofstädter. Das Nein zur klassischen Kunde-Agentur-Beziehung heißt ja nicht, dass man generell die Leistungen von Agenturen nicht schätze.