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© Martina Berger

Fordert ÄnderungenNeos-Mediensprecherin Henrike ­Brandstötter.

Redaktion 14.10.2022

„Die Politik ist hier ein großer Teil des Problems”

Die Neos-Mediensprecherin kritisiert den „Wildwuchs” an Förderungen und mahnt vor Gefahren von Social Bots.

••• Von Dinko Fejzuli und Sascha Harold

Die Fortschritte im Bereich Künstliche Intelligenz bringen nicht nur neue Möglichkeiten der Automatisierung, sondern können künftig dabei helfen, Fake News und Desinformation noch stärker zu verbreiten als bisher. Im Gespräch mit medianet erläutert Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter, welche Gefahren in diesen Entwicklungen stecken und welche Reformen der heimische Medienmarkt bräuchte.


medianet:
Frau Brandstötter. die Neos haben sich des Themas Fake News und Desinformation als massiv destabilisierendem Faktor für unsere Demokratie angenommen – worauf genau wollen Sie hinweisen?
Henrike Brandstötter: Wir haben auf der einen Seite ein immer größer werdendes Problem mit Fake News und Desinformationskampagnen und auf der anderen Seite immer ausgefeiltere Formen von genau diesen Desinformationskampagnen, die – und das ist der springende Punkt – AI-gestützt sind, etwa durch Social Bots. Das Thema wird immer drängender, befeuert unter anderem auch von staatlichen Akteuren – zuletzt Russland –, die hier ganz gezielt versuchen, gesellschaftliche Bewegungen zu beeinflussen.

medianet:
Welche Bedrohung stellen Social Bots dar?
Brandstötter: Social Bots können bereits extrem viel. Mittlerweile ist es durch KI möglich, durch eine bloße Texteingabe künstlich erzeugte Bilder generieren zu lassen. Manipulation ist damit im Bild- und Videobereich Tür und Tor geöffnet. Wir sehen auch, dass das im großen Stil eingesetzt wird – Facebook hat eben erst einen Bericht veröffentlicht, wie gegen russische Desinformationsnetzwerke vorgegangen wird.

medianet: Welche Auswirkungen könnte das haben?
Brandstötter: Noch nie war es so einfach, eine Gesellschaft zu manipulieren und zu spalten. Einerseits auf technologischer Ebene, etwa über die erwähnten Social Bots, andererseits mit diversen Plattformen, die vorgeben, Medien zu sein, in Wirklichkeit aber Fake News verbreiten – Stichwort: ‚Auf1' oder der Verschwörungssender RTV. Diese berufen sich dann wieder auf die Desinformationsnetzwerke der Bots – und so entstehen mediale Parallelwelten, die für Medienkonsumenten nur noch schwer zu durchschauen sind. Das Problem betrifft nicht mehr nur die Ränder der Gesellschaft, sondern ist in der Mitte angekommen.

medianet:
Was kann man hier, auch als Politiker, tun?
Brandstötter: Erstens brauchen wir noch mehr Faktenchecks. Es gibt nur einige wenige wie Mimikama oder das profil, die können aber nicht alles abdecken, was nötig wäre. Es kann nicht uns als Bürgern überlassen sein, die Informationen in den Medien zu überprüfen, weil auch oft die Recherchekompetenz fehlt. Zweitens brauchen wir so etwas wie gesetzliches Gütesiegel für Medien. Nur wer das Siegel hat, sollte auch Fördergelder erhalten.

medianet:
Eingriffe besonders ins Medienrecht sind heikel. Wer sollte so ein Siegel vergeben?
Brandstötter: Ich denke, es bräuchte ein eigenes Büro für Digitalisierung und Medienkompetenz. Also eine staatliche Stelle, die den Kampf gegen Fake News und Desinformation zur Kernkompetenz macht und sich dann im nächsten Schritt auf europäischer Ebene vernetzt. So eine Stelle könnte das Siegel vergeben.

medianet:
Mit dem Presserat gibt es ja jetzt schon ein Instrument. Was wäre der Unterschied?
Brandstötter: Der Presserat leistet hervorragende Arbeit, ist aber ein privater Verein, der keine hoheitlichen Aufgaben übertragen bekommen hat. Wenn eine Mitgliedschaft im Presserat Vorausetzung für den Erhalt von Förderung wäre, müsste man den Presserat institutionalisieren und überdies die Kompetenzen erweitern, denn er kümmert sich ja nur um Zei­tungen.

medianet:
Was braucht es noch?
Brandstötter: Das Thema ist so groß, dass es viele Schritte braucht. Medienkompetenz­unterricht an den Schulen und in der Erwachsenenbildung, ein Gütesiegel, auf das ich mich als Bürgerin verlassen kann, und die Schaffung einer staatlichen Stelle für den Kampf gegen Fake News und Desinformation ­wären jedenfalls wichtige Schritte.

medianet:
Nicht alles lässt sich auf nationaler Ebene regeln.
Brandstötter: Stimmt, deshalb bin ich überzeugt davon, dass es eine europäische Anstrengung braucht. Dennoch kann man nicht warten, bis der EU-weite Prozess in die Gänge kommt, schließlich brauchen wir auch hier im Land Kompetenz und Handhabe. Es spricht also nichts dagegen, parallel etwas aufzubauen und schon ­national Vorarbeit zu leisten.

medianet:
Ist sich die Regierung der Größe des Problems bewusst?
Brandstötter: Sie muss den Fokus auf jeden Fall erweitern. Es gibt Bereiche, etwa in der Landesverteidigung, wo das Thema bereits eine Rolle spielt, die Dringlichkeit und Relevanz dringt aber im Moment nicht wirklich durch.

medianet:
Der neue RTR-Geschäftsführer Wolfgang Struber kündigt an, beim Thema Medienkompetenz aktiv zu werden – ein positives Signal?
Brandstötter: Absolut. Je mehr, desto besser. Bisher ist es ja so, dass der RTR-Geschäftsführer trotz Beirat eigenhändig Gelder vergeben kann. Es gibt da keine Transparenz, was das Vertrauen in Medien nicht unbedingt fördert. Wenn es dort nicht nur bei der Überschrift bleibt, dass würde mich das freuen.

medianet:
Kommen wir zu jenem Bereich, der oft als ‚inoffizielle Presseförderung' bezeichnet wird, den Inseraten. Soll es hier Änderungen geben?
Brandstötter: So wie es jetzt ist, dass nach Reichweite bzw. Auflage plus persönlichen Vorlieben Inserate vergeben werden, ist absolut unprofessionell. Das sorgt dafür, dass das Vertrauen der Menschen in die Medien sinkt. Die Politik ist hier ein großes Teil des Problems. Da darf man sich nicht wundern, wenn sich die Menschen abwenden. Ich bin nicht an sich gegen ­Inserate oder Kampagnen, es gibt wahnsinnig viele gute Gründe für Kampagnen. Aber es muss immer klar und nachvollziehbar sein, wer warum wie viel Geld dafür bekommt. Medien­ministerin Raab hat hier einiges angekündigt; ich freue mich, dass meine hartnäckigen Forderungen gewirkt haben. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an.

medianet:
Abschließend – welche Probleme sehen Sie im aktuellen Förderwesen?
Brandstötter: Ich finde, dass es einen ziemlichen Wildwuchs an Förderungen gibt. In erster Linie muss man sich die Frage stellen, welchen Medienmarkt wir wollen und ob wir es zulassen, dass es auch eine Marktbereinigung gibt. Aktuell wird er durch diese vielen Fördertöpfe verzerrt, die Verzerrungen ihrerseits dann durch weitere Töpfe ausgeglichen. Wenn man alles zusammenrechnet, sind wir im Jahr bei etwa 400 Millionen Euro, die an Förderungen und Unterstützungen in den Medienmarkt fließen. Dieses Geld sollte nach transparenten Vorgaben verteilt werden.

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