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© ORF/Roman Zach-Kiesling

Gianna Schöneich und Dinko Fejzuli 03.03.2017

Die Überzeugungstat der Kathrin Zechner

Die österreichische Musikszene floriert – der ORF sieht sich in der Pflicht und richtet wieder den Amadeus Award aus.

••• Von Gianna Schöneich und Dinko Fejzuli

Der österreichische Musikmarkt hat im vergangenen Jahr insgesamt 137 Mio. € Umsatz erwirtschaftet. Im Vorjahr waren es noch 143,3 Mio. € Umsatz – somit verzeichnet man ein Minus von 4,4%.

Positiver zu bewerten ist hingegen die österreichische ­Musikszene. „Wir haben eine sehr lebende Musikszene – der Hype der letzten Jahre hält an. Mehr als ein Drittel der meistverkauften 100 Alben in Österreich waren von österreichischen Künstlern”, so Dietmar Lienbacher, Präsident des Verbands der ­österreichischen Musikwirtschaft.

Amadeus Award heimgekehrt

So sind die Topseller des Jahrs 2016 Seiler und Speer, ihr vier-fach ausgezeichnetes Erfolgsalbum „Ham kummst” führt die Liste der offiziellen „Austria Top 40 Album-Verkaufscharts” an. Weiters schafften es Andreas Gabalier („MTV Unplugged”), die Seer („20 Jahre – nur das Beste”) und das Neujahrskonzert 2016 mit den Wiener Philharmonikern und Mariss Jansons unter die Top 10 der Jahres-Charts.

Für die heimische Musikszene interessiert sich auch der ORF. Von 2000 bis 2008 wurde die TV- Show zum Amadeus Austrian Music Award vom Österreichischen Rundfunk ausgestrahlt. 2008 übernahm dann ProSiebenSat.1 Puls 4 den TV-Event. 2015 übertrug erstmals ATV die Verleihung. Nun sei der Amadeus Award wieder heimgekehrt, hieß es bei der Pressekonferenz vergangenen Montag, bei welcher die nominierten Musiker bekannt gegeben wurden.
Der Amadeus Award findet heuer zum 17. Mal statt – in 17 Kategorien kann aus fünf Künstlern gewählt und mittels Online-Voting abgestimmt werden. Ausgestrahlt wird die Show vom ORF.
An der Spitze der Nominierungen stehen Voodoo Jürgens und Julian Le Play.
Um den Amadeus Award zu bewerben, soll die ganze ORF- Flotte mit an Bord geholt werden. Am 4. Mai wird die Show über die Bühne gehen, zeitversetzt wird man diese um 22 Uhr auf ORF 1 verfolgen können.

Künstler-Portraits

Dabei hat man sich auch Neues einfallen lassen. So werden mit den Gewinnern der acht Genre-Kategorien bereits im Vorfeld der Award-Show in Form von „Mini-Dokus” Künstler-Portraits erstellt. Diese Kurzfilme werden in die Show einfließen und sollen ein neues, abwechslungsreiches Gestaltungselement darstellen.

„Der Hype um die florierende österreichische Musikszene hält erfreulicherweise an. Das spiegelt auch die aktuelle Nominierten-Liste wider. Mit den Amadeus Awards wollen wir heimischen Musikschaffenden eine außergewöhnliche Präsentations-Plattform und dem Publikum eine originelle Show bieten. Mit dem ORF als TV-Partner werden wir den Amadeus auf das nächste Level heben und der vielfältigen österreichischen Musikszene zu einer noch größeren Bühne verhelfen”, so Lienbacher.
Auch Peter Vieweger, Vizepräsident des AKM (Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger), setzt auf die weitere Verbreitung des Formats und erklärte: „Mit dem ORF werden wesentlich mehr Menschen erreicht werden als die Jahre zuvor.”

Auf brautwerbende Weise

Auf die Frage, weshalb der ORF erst jetzt wieder die Ausstrahlung des Awards übernimmt, erklärt ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner, sie würde sich nicht mit der Vergangenheit aufhalten: „Ich kann Ihnen nur sagen, warum wir den Amadeus auf brautwerbende Weise wieder zurückgeholt haben: Wir sind von den Entwicklungen derart beeindruckt und wir wollen wirklich alles tun, um diese Kreativität und neue Welle, nicht nur des Erfolgs, sondern auch der Verschiedenheit der Wege, die diese Künstler und Künstlerinnen gehen, mit voller Kraft unterstützen. Das ist der Grund, warum ich bei Franz Medwenitsch (IFPI-Geschäftsführer) brautwerbend eingeritten bin. Es ist eine Überzeugungstat – der ORF schuldet das der Szene.”

Die genannte Szene des österreichischen Musikmarkts wird von vielen Seiten gelobt, auch von Edgar Böhm, Unterhaltungschef des ORF: „Die Kollegen aus den anderen TV-Sendern und Ländern stehen voller Bewunderung vor dem, was gerade bei uns passiert. Und wir selbst sollten mehr als stolz sein, auf das was hier gerade los ist, und uns mehr freuen für die Künstler, die hier national und international sehr erfolgreich unterwegs sind, und nicht immer unser Licht unter den Scheffel stellen.”

Geringschätzungen

In eine ähnliche Kerbe wie Böhm beim Thema Wert der heimischen Musikszene schlägt auch der ORF-Musikexperte und das musikalisch-strategische Mastermind hinter dem österreichischen Beitrag zum Song Contest, Eberhard Forcher: „Man braucht sich nur die Standard-Postings ansehen und da kann man eins zu eins die Geringschätzung dessen ablesen darüber, was in diesem Land in der Musikszene eigentlich Positives passiert.”

Richtet man seinen Blick auf den gesamten österreichischen Musikmarkt, so zeigt sich, dass das größte Umsatzplus bei Strea­ming und Vinyl zu verzeichnen ist. Während der Klassiker, die Schallplatte, ein Umsatzplus von 25% verzeichnen kann, setzt das Musikstreaming seinen ­Erfolgslauf mit +56%, also 7,1 Mio. € Umsatz, fort.

„Value Gap” dank YouTube

Beflügelt wird das dynamische Wachstum am Streaming-Markt vor allem durch bezahlte Premium-Abos von Diensten wie Spotify, Deezer oder Apple Music. Äußerst bescheiden ist hingegen der Beitrag des weltweit größten Musikstreaming-Dienstes, nämlich der Gratisplattform YouTube, der bei lediglich 5% der heimischen Streaming-Umsätze liegt. Diese auch als „Value Gap” bezeichnete Schieflage ist darauf zurückzuführen, dass YouTube eine faire Verantwortung für die Abgeltung des Contents ablehnt und sich dabei – zu Unrecht – auf ein rechtliches Haftungsprivileg im EU-Recht beruft. Dieses Schlupfloch soll allerdings bei der anstehenden Modernisierung des EU-Urheberrechts geschlossen werden.

Innerhalb des Digitalmarkts lässt sich ein Paradigmenwechsel erkennen – so steigen die Streamingumsätze bereits das fünfte Jahr in Folge, Downloads stehen hingegen unter Druck.
So wurden mit dem Download ganzer Alben in 2016 9,3 Mio. € (-21%) und mit Einzelsong-Downloads 6,5 Mio. € (-16%) ­erwirtschaftet.

Vinyl als Verkaufsschlager

Die physischen Tonträger CD, DVD und Vinyl sind bei den österreichischen Musikfans weiterhin sehr beliebt und bleiben mit 73,3 Mio. € die größten Umsatzbringer am heimischen Musikmarkt. Vor allem Vinyl lässt aufhorchen: 2016 sind mehr als 300.000 Schallplatten verkauft worden, der höchste Wert in ­Österreich seit 1993. Die Erfolge der österreichischen Musikszene lassen sich jedenfalls nicht wegreden – die Zahlen sagen mehr als Standard-Postings.

Beweisen wird sich die Szene beim kommenden Eurovision Song Contest: „Nathan Trent ist auch ein Statement dafür, dass es gute österreichische Künstler gibt. Das ist etwas wirklich Großartiges, was in den letzen Jahren in Österreich passiert ist. Die Szene lebt und ist unwahrscheinlich erfolgreich – auch international. Und wir sind froh, dass wir einen Künstler gefunden haben – und das ist auch ein Beweis für die Lebendigkeit der österreichischen Musikszene –, der die Nummer selbst komponiert und den Text geschrieben hat und sie auch selbst singen wird”, so Böhm.

Primetime gehört Schlager

Bevor sich Nathan Trent in Kiew im Mai feiern lassen kann, wird beim Amadeus Award die gesamte Szene wenige Tage zuvor hochleben.

Erfreut zeigt sich Forcher über den Umstand, dass der Amadeus wieder im ORF stattfindet, auch wenn er mit der Sendezeit nach 22 Uhr nicht besonders glücklich ist, aber es sei offensichtlich so, dass österr. Popmusik von den Zusehern um 20:15 nicht so sehr favorisiert werde. In der Primetime würde eher der Schlager Quotenerfolge feiern. Generell zeige aber etwa die Liste der beim diesjährigen Amadeus Nominierten, welch tolle Entwicklung die heimische Musikszene in den letzten Jahren genommen hätte und das sei doch ein positives Zeichen, so Forcher.
Ob ein österreichischer Künstler in Österreich deutsch oder englisch singen solle, sei keine Frage der Sprache an sich, so Forcher, sondern es gehe eher darum, wo sich der Künstler selbst wohler fühlt. Singt er deutsch, sei die Chance auf Erfolge in Österreich und Deutschland sicher höher, limitiere einen aber international, so der Musikexperte.

Langes gemeinsames Leben

Eine Entwicklung in der heimischen Musikszene der letzten Jahre findet Forcher besonders großartig: „Ich bin sehr glücklich darüber, dass auch der Dialekt zurückgekommen ist. Es freut mich auch, dass die Dialektnummern wieder in Ö3 gespielt werden. Die Berührungsängste sind weg.” Über die Länge der Zusammenarbeit zwischen dem ORF und dem Amadeus Award erklärte Zechner lediglich: „Geheiratet bis auf der Tod uns scheidet, haben wir nicht. Aber ich traue sowohl dem ORF als auch der starken Musikszene ein langes gemeinsames Leben zu.”

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