WIEN. ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer sieht mit Blick auf die derzeit in Begutachtung befindliche ORF-Gesetzesnovelle "viel Schatten und wenig Licht". "Niemand ist zufrieden", meinte der Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im obersten ORF-Gremium gegenüber der APA. ORF.at werde zu einem "Pixi-Buch mit angehängten Rezepten" umgestaltet, monierte er und kritisierte auch, dass Topverdiener ob verschärfter Transparenzbestimmungen künftig namentlich "an den Pranger gestellt" werden sollen.
Laut Gesetzesentwurf soll die mit Abstand reichweitenstärkste Nachrichtenseite des Landes ORF.at künftig zu 70 Prozent aus Bewegtbild und 30 Prozent Textmeldungen bestehen, wobei letztere auf 350 Stück pro Woche beschränkt werden. Lederer sieht das Vorhaben kritisch, das speziell Verlegern entgegenkommen soll, die ORF.at als zu zeitungsähnlich kritisieren. "Ein Schaden für die 'blaue Seite' hilft den Verlegern nicht", so Lederer. Der ORF sei der "falsche Gegner". Die Sorge der Verleger, wonach die Medienlandschaft Österreichs angesichts der ORF-Digitalnovelle existenziell bedroht sei, nehme er zwar ernst, doch säßen die Gegner im Ausland. So helfe es ihnen auch nicht, dass dem ORF weitere Werbebeschränkungen auferlegt werden. Die in Werbung investierten Summen fließen nicht automatisch zur österreichischen Konkurrenz, sagte Lederer.
Die Einführung des ORF-Beitrags in Form einer Haushaltsabgabe sei "gut, aber zu unpräzise". Es sollte sozial treffsicherer vorgegangen werden, meinte der von der SPÖ entsandte Stiftungsrat. "Es müsste für soziale Härtefälle ein Härtefonds gegründet werden, um die Bevölkerung mitzunehmen." Sonst könnte die Haushaltsabgabe zu einem "Sprengmittel" werden. Geld aus dem ORF-Beitrag landet, sollten die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags mit den Einnahmen übertroffen werden, auf einem Sperrkonto. Dieses Geld sollte für soziale Härtefälle eingesetzt werden, forderte Lederer, der Sorge hat, dass künftige Regierungen - etwa eine blau-schwarze - auf dieses Konto zugreifen und die dort gebunkerten Mittel für andere Zwecke verwenden könnten.
"Unfassbar" und datenschutzrechtlich bedenklich empfindet Lederer, dass im Rahmen eines Transparenzberichts, der auch Nebenbeschäftigungen offenlegen soll, ORF-Journalisten ab einem Bruttoeinkommen von 170.000 Euro im Jahr namentlich genannt werden. Diese Regelung ziele darauf ab, Journalisten "an den Pranger" zu stellen. Dieses "Hinlehnen zu einer blau-schwarzen Koalition" sei nicht notwendig, befasse sich doch auch der Stiftungsrat und eine in Aufbau befindliche Ethikkommission mit der Thematik. "Ich werde nicht ruhen, bis Nebenbeschäftigungen und Social-Media-Aktivitäten ins Lot gebracht werden, um der Bevölkerung zu zeigen, dass ORF-Journalistinnen und -Journalisten ihr Hauptaugenmerk auf den ORF und das Publikum legen", versprach Lederer.
Der ORF-Redaktionsausschuss warnte in der vergangenen Woche, dass die Geschäftsführung trotz bereits in den vergangenen Jahren durchgeführter, weitreichender Einsparungen weitere Kostenreduktionen zugesagt hat. Die Redaktionen seien bereits personell ausgedünnt. Viele der anstehenden Pensionierungen sollen nicht nachbesetzt werden. Lederer will zumindest ein Drittel der Stellen nachbesetzt wissen, wobei verstärkt auf den sozioökonomischen Hintergrund der Nachkommenden geachtet werden sollte, um beim Publikum relevant zu bleiben.
Keine Änderung bringt die Gesetzesnovelle im Bereich der ORF-Gremien, die regelmäßig als zu politisch dominiert kritisiert werden. Lederer meint, die Qualität des Stiftungsrats sei an sich gut. "Nur weil Vertraute in einem Unternehmen sitzen, heißt das nicht, dass diese ungeeignet sind." Die Unabhängigen im Stiftungsrat müssten jedoch sichtbarer gemacht werden - etwa in Form eines "Unabhängigen-Freundeskreises". "Dann würde man sehen, dass Unabhängige auch das Zünglein an der Waage ausmachen können", so der SPÖ-Freundeskreisleiter.
Für die ORF-Geschäftsführung hat Lederer Lob parat. Diese habe gute Arbeit geleistet. Der Generaldirektor Roland Weißmann habe bei den Verhandlungen zur ORF-Gesetzesnovelle "nicht nachgelassen". Das müsse man ihm anrechnen.