MARKETING & MEDIA
© Martina Berger

Redaktion 24.06.2022

„TV-Qualität und ein TKP à la YouTube geht nicht”

CEO Walter Zinggl über die Vorteile von linearem Content und die crossmedialen Möglichkeiten der IP-Österreich.

••• Von Dinko Fejzuli

WIEN. Unter dem Titel „The Magic of Total Video” gingen diese Woche die Screenforce Days als digitaler Live-Event aus dem Kölner Bauwerk über die Bühne und präsentierten Aktuelles rund um TV aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.

Screenforce-Österreich-Spre­cher und IP Österreich-Geschäftsführer Walter Zinggl über den Event: „Die länderübergreifenden Screenforce Days sind ein Muss für alle, die den Weitblick für ein reichweitenstarkes und sicheres Werbeumfeld für ihre Marken oder Kunden wollen und von der wachsenden Stärke von TV und Video profitieren möchten. Für den Fokus- oder auch beliebten Testmarkt Österreich liefern wir wichtige Insights für die ganze Region mit den wichtigsten Facts aus der brandneuen Bewegtbildstudie.” medianet nahm die Veranstaltung zum Anlass, den IP Österreich-Geschäftsführer zum Interview zu bitten.

medianet: Herr Zinggl, für viele waren die letzten zwei Jahre schwierig, aber das lineare Fernsehen hat profitiert …
Walter Zinggl: Ich würde sagen, nicht nur das lineare Fernsehen, sondern es gab für die Bewegtbildnutzung insgesamt einen kleinen Boost.

medianet:
Wie viel davon bleibt, jetzt wo sich die Lebensumstände der Menschen wieder quasi normalisieren?
Zinggl: Jetzt, wo die Menschen wieder rauskönnen, geht die Bildschirmnutzung wieder zurück, aber das ist ein logischer und verständlicher Schritt.

medianet:
Womit auch das alte Thema ‚Lineares TV versus Strea­ming' wieder mehr am Tisch wäre …
Zinggl: Dieses Thema muss man differenzierter betrachten, denn Streamen ist mittlerweile etwas, das am großen Schirm passiert – auch, weil der Content, der dort angeboten wird, etwa bei der Fiction, qualitativ so gut geworden ist, dass sich das die Menschen nicht mehr am Handy oder am Tablet ansehen wollen.

Gleichzeitig kommen aber die großen Streamer darauf, dass sie mit der Produktion des Contents nicht mehr nachkommen, Stichwort Binge-Watching, und sie langsam auch zu einer herkömmlichen Release-Politik zurückkehren. Damit kommen wir mit unserem linearen Angebot, welches uns ja unsere Content-anbieter vorgeben, hier in eine vergleichbare Position zurück.

medianet: Wie sieht es abseits des Nutzungsverhalten beim Content selbst aus? Wer schaut was wo?
Zinggl: Die jüngere Zielgruppe fühlt sich natürlich bei Fiction von den Streamern angesprochen, und für uns sind Dinge wie Sport, Nachrichten oder Live-Events generell sicher Treiber für lineares Fernsehen. Und: Durch die Rückkehr zu einer quasi linearen Programmierung bei den Streamern sehen wir auch einen stärkeren Zuspruch zu bestimmten Serien, die immer zu einer fixen Zeiten spielen, ­womit die Zuseher genau wissen, wann sie was finden können.

Und gleichzeitig sehen wir auch, dass unsere eigenen Abrufplattformen – wie RTL plus – hier in diesem Umfeld stark gewinnen können, weil das ­Marken sind, die das Publikum aus dem linearen Fernsehen kennt.

medianet: Und welche Rolle spielt der finanzielle Aspekt – gerade in Zeiten wie diesen?
Zinggl: Für manche Menschen ist es natürlich auch eine Frage, wie viele Abos man sich leisten kann, vor allem bei Neueinsteigern. Und all das vor dem Hintergrund, dass manche Streamer sich gezwungen sehen, auch noch ihre Preise zu erhöhen.

medianet:
Eine Entwicklung, über die Sie sicherlich nicht unglücklich sind …
Zinggl: Es führt zu einer Situ­ation, in der TV, aber auch line­ares Fernsehen in Kombi mit der Nutzung unserer Abrufplatt­formen mit TV-Content noch ­immer ein guter Treiber für uns ist.

medianet:
Apropos TV in Kombi mit Abrufplattformen. Hier drängt sich auch die Frage einer gemeinsamen Messung auf. Wie ist hier der Stand, auch was natürlich die unterschiedlichen Preise von TV und Digital betrifft?
Zinggl: Werbetreibende Unternehmen hätten hier gerne den Goldstandard bei der linearen Messung und die niedrigen Preise von YouTube und Co (lacht). Aber Spaß beiseite.

Bei der gemeinsamen Ausweisung von linear und digital ­wurde hier vor zwei Jahren ein Pilotprozess gestartet mit zunächst einer Simulation und dann zwei Testmärkten in den USA bzw. UK, wobei aber viele TV-Anbieter nicht dabei sind, weil zum Teil nicht klar ist, wer was misst und wie gemessen wird. Und: So wie die ersten Zahlen aussehen, sind die Ergebnisse für YouTube & Co in Bezug auf die Nutzung im direkten Vergleich zu TV gar nicht mal so erfreulich.

medianet: Und wann soll die gemeinsame Messung nun möglich sein?
Zinggl: Der Zeitplan sieht vor, dass die Experimente im zweiten Halbjahr 2023 evaluiert werden.

medianet:
Betrachtet man das breite Portfolio der IP von TV, über Online bis zur Außenwerbung und dann auch noch mit neuen Dingen wie Addressable TV & Co – alles in allem eine erfreuliche Entwicklung …
Zinggl: Jedes Medienhaus mit Bewegtbildcontent möchte möglichst viele Vermarktungsmöglichkeiten an möglichst vielen Touchpoints haben. Dazu gehören logischerweise Dinge wie Addressable TV, welches nun im Markt angekommen ist. Für heuer erwarten wir uns hier einen siebenstelligen Umsatz. Wir werden beginnen, dort, wo es möglich ist, auch vollflächig Spots zu ersetzen. Das wird die große Innovation sein.

medianet:
Frage zum Schluss: Wie wird 2022, wirtschaftlich gesehen?
Zinggl: Wir hatten in 2021 ein Rekordjahr und wir sehen, dass wir für 2022 auf einer ähnlichen Höhe segeln. Das ist schon großartig. Unsere Sender schlagen sich gut, und wir sehen auch weiterhin starkes Wachstum, vor allem beim Thema Addressable TV und den non-linearen Plattformen.

Wir werden auch beinahe täglich in unserer Entscheidung bestätigt, Crossmedia und Innovation in einer gemeinsamen Unit zu bündeln. Das war die genau richtige Entscheidung.

medianet: Apropos Wachstum. Üblicherweise ziehen höhere Zuschauerzahlen im Folgejahr auch höhere TKPs nach sich. Wie sieht es hier aus, vor allem da jetzt durch die Normalisierung in der Coronasituation auch wieder mit einer sinkenden TV-Nutzung zu rechnen ist?
Zinggl: Wir wollen ein fairer Partner sein. Die von Ihnen angesprochene Entwicklung ist kein Resultat unseres Programms, sondern den sich verändernden Lebensumständen der Menschen geschuldet, und es ist natürlich, dass die Nutzung etwas sinkt. Es ist ja nicht unser Programm schlechter geworden und so wie wir die Preise in den letzten zwei Jahren trotz der gestiegenen Nutzung nicht erhöht haben, gilt das Gleiche nun auch in die andere Richtung.

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