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© Journalistinnenkongress/APA-Fotoservice/Reither (3)

daniela prugger 11.11.2016

„Wir kriegen ständig eine aufs Maul”

Am Journalistinnenkongress wurde auch über die US-Wahl und das Glaubwürdigkeitsproblem von Medien diskutiert.

••• Von Daniela Prugger

Am Thema US-Wahl führte am 18. Journalistinnenkongress kein Weg vorbei – fand doch die Veranstaltung unmittelbar nach der Verkündung des Wahlsiegers statt – der republikanische Kandidat Donald Trump hat allen Grund zum Strahlen. Für die Frauen dieser Welt ein trauriger Moment, darüber war man sich am Kongress einig – der Milliardär wurde für seine zahlreichen rassistischen und sexistischen Eskapaden von den Wählern nicht abgestraft. Mehr denn je, so Kongressinitiatorin Maria Rauch-Kallat, brauche es Veranstaltungen wie den Journalistinnenkongress, denn: „Das Imperium schlägt zurück.”

Wer glaubt, so Rauch-Kallat, die Frauen hätten mittlerweile alles erreicht, „der irrt”. „Leider ist es immer noch nicht so, dass Macht und Einfluss, Verantwortung und Einflussmöglichkeiten zur Hälfte den Frauen obliegen.” Seit bald 20 Jahren dient der Kongress deshalb als Netzwerk und Plattform für Medienfrauen, hier sollen Journalismus und die Branche anders gedacht werden.

Das Lied von der Lügenpresse

20 Jahre - seitdem ist viel passiert, auch mit dem Journalismus. In manchen Teilen der Gesellschaft werden die Begriffe „Lügen-” oder „Lückenpresse” bevorzugt, oft werden wir in ein „postfaktisches” Zeitalter verortet. „Hypes & Hoaxes. Inszenierung und Glaubwürdigkeit” – so lautete deshalb das Motto des Kongresses. Das riesige Angebot an Information überfordert, belastet, die Nachrichten prasseln auf uns nieder. Und um sich als Medien-Marke an der Ober­fläche dieser Reizüberflutung zu halten, ist vieles notwendig, aber eines unumgänglich: das sich neu Erfinden in Sozialen Netzwerken.

„Wir brauchen einen Mix aus langsamer und schneller Information”, ist Kavita Puri, Editor bei BBC, überzeugt. Früher holte man sich die Informationen hauptsächlich aus den Abend-Nachrichten. Im Vergleich dazu gebe es heute ungleich mehr Nachrichtenkanäle. Die vielen Informationen machen einen analytischen Journalismus erforderlich, professionelle Selektion und Faktencheck seien dieser Tage wichtiger denn je. Das große Problem daran: Die Medien leiden unter einem manifesten Glaubwürdigkeitsproblem. Davon zeugen auch die aufgepeitschten Emotionen in Medienforen und Postings auf Facebook und Twitter.

Mehr Mut, mehr Hintergrund

Hass, Hetze und Falschinformation sind mittlerweile ein alltägliches Phänomen, und in manchen Fällen muss von Straftaten gesprochen werden. Ein Großteil der Abneigung richtet sich gegen das politische und mediale Establishment. Eine, die sich mit diesem Thema stark auseinandersetzt, ist ­profil-Redakteurin Ingrid Brodnig. „Falschmeldungen und Hassinformationen funktionieren nur, wenn ein gewisses Mindset schon vorhanden ist”, so Brodnig. Verstörender sei, dass man als Journalistin heute von Rezipientenseite „ständig eine aufs Maul” kriege – da sinke eben auch das Selbstbewusstsein. Daher, so Brodnig, müssen Selbstermächtigung und Selbstbewusstsein „zurückerobert” werden. Es sei auch nicht notwendig, sich für Recherche und die Verbreitung von Fakten zu rechtfertigen.

Über die Schlagzeile hinaus

In der Regel werde bei Hasspostings ja nur das eigene Weltbild bestätigt – eine Erscheinung, der man mit politischer Aufklärung und Medienpädagogik entgegenwirken müsse; nicht nur bei den Jungen übrigens. „Es wird sehr viel darüber geredet, wie man die Jugend sozialisiert. Wir sollten mal darüber reden, wie wir die Älteren sozialisieren könnten”, so Brodnig mit Blick auf die ältere Wählerschicht, die ja nicht zuletzt in Großbritannien den Brexit mitzuverantworten hat.

Cathrin Kahlweit von der Süddeutschen Zeitung plädiert dafür, dass von Journalistenseite wieder mehr „über Schlagzeilen hinaus berichterstattet und informiert” wird. Nur so könne im Informationsdschungel Orientierung geleistet werden.
Pauline Tillmann, Geschäftsführerin und Chefredakteurin des Online-Magazins Deine Korrespondentin: „Wir glauben, man muss das Publikum fordern, manchmal auch überfordern”. Sie forderte Journalistinnen zu mehr Mut auf: „Das würde uns allen gut stehen.”

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