WIEN. Trotz Präsenz an 55 Standorten in 25 Ländern: Der börsennotierte österreichische Agrana-Konzern will noch internationaler werden und dabei weiter diversifizieren. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern soll abgebaut, der Kundenfokus ausgebaut werden, ohne die traditionelle Nähe zum Rohstoff Zucker, Frucht und Stärke aufzugeben. Das sagt der seit 2021 verantwortliche Agrana-Vorstandsvorsitzende Markus Mühleisen in einem Video-Talk mit Horváth Associate Partner Christoph Kopp. https://youtu.be/fpv9VWgTIug
Die Agrana sei ein erfolgreiches Unternehmen mit viel Potenzial und attraktiven Produktionsstätten. "Wir sind in Österreich als Zuckerunternehmen bekannt, dabei ist Agrana viel mehr als Zucker: Weltmarktführer bei Fruchtzubereitungen, einer der weltweit bedeutendsten drei Produzenten von Fruchtsaftkonzentraten und im Bereich Stärke europäischer Marktführer von Spezial- und Biostärken." Er wolle zusammen mit seinem Team das nächste erfolgreiche Kapitel der Unternehmensgeschichte schreiben, so der international erfahrene Manager. Die Entscheidung zum Wechsel nach Wien sei leicht gefallen.
Der Erfolg von Agrana beruht auf ihrer Nähe zum Rohstoff, sagt Mühleisen. Das hat dem Unternehmen geholfen, gut und sicher durch die multiplen Krisen zu steuern und die Versorgung der Kunden sicherzustellen. Das war auch einer der ganz wichtigen Gründe, dass das abgelaufene Geschäftsjahr 2022/23 so gute Zahlen brachte. Hinzu komme, dass die Agrana breit diversifiziert ist. "Wir stehen auf mehreren Standbeinen, und das hat sich – trotz Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise und eingeschränkter Rohstoffversorgung – sehr ausgezahlt."
Die in der vergangenen Woche präsentierte positive Bilanz über das abgelaufene Geschäftsjahr 2022/23 zeigt das deutlich: Die Umsatzerlöse waren mit 3,6 Mrd. € deutlich höher als im Vorjahr (21/22: 2,9 Mrd. €), das Ergebnis der Betriebstätigkeit (EBIT) lag mit 88,3 Mio. € sogar sehr deutlich über dem Vorjahreswert von 24,7 Mio. €.
Führende Rolle bei biobasierten Rohstoffen
Zu den großen Herausforderungen zählt der Foodmanager die Frage, wie wir heute eine wachsende Weltbevölkerung gesund und zu erschwinglichen Preisen ernähren können. Das betrifft auch die Energiewende und die Umstellung der Landwirtschaft zu einer biobasierten Wirtschaft mit pflanzlichen und erneuerbaren Rohstoffen und Energieträgern. Hier könne Agrana aufgrund ihrer Nähe zur Landwirtschaft und als größter Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte in Österreich eine führende Rolle einnehmen, um die Transformation mitzugestalten.
Der Agrana-Chef sieht dabei einen ganz klaren Trend zum Ersatz fossiler durch biobasierte Rohstoffe. "Da glaube ich, das kann wichtig und interessant sein für Agrana." Aber auch das Zusammenspiel von Geschmack, natürlichen Rohstoffen und wie man daraus neue und innovative Rezepturen schafft: "Hier sehen wir Chancen, mit unseren Kunden noch enger zusammenzuarbeiten." Nicht zuletzt relevant ist die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen. "Heute verarbeiten wir im Jahr über 40.000 Tonnen an Proteinen. Wir sehen Möglichkeiten, an diesem langfristigen und nachhaltigen Trend mitzupartizipieren."
Versorgungssicherheit im Mittelpunkt
Grundsätzlich geht es bei allen Agrana-Aktivitäten um Versorgungssicherheit. Die hohen Energiekosten hätten das Unternehmen zwar sehr hart getroffen, aber immer im Vordergrund stand die Überlegung, "wie können wir sicherstellen, dass wir unsere Kunden gut versorgen können. Deswegen haben wir schon ganz am Anfang des Ukrainekrieges darauf geschaut, wie wir uns vom russischen Erdgas unabhängig machen können. Wir haben dann sehr sehr schnell ein Notinvestitionsprogramm aufgelegt, um alle Werke, wo es technisch möglich ist, nachzurüsten, um sicherzustellen, dass wir auch weiterhin produzieren können, wenn das russische Gas nicht mehr fließt. Das ist uns gut gelungen."
Die Energiekosten sind für Agrana "natürlich ein enormes Thema. Wir sind ja ein sehr energieintensives Unternehmen, insbesondere während unserer Kampagnen, das betrifft vor allem Zuckerrüben, aber auch die Kartoffelernte und andere Produkte. Was wir deshalb getan haben, ist alle unsere Energiesparmaßnahmen zu beschleunigen. Wir haben auch geschaut, welche Projekte können wir vorziehen, welche Standorte nutzen, um Energie einzusparen und die Dekarbonisierung voranzubringen".
Dekarbonisierung voll im Gang
Der Gedanke, mit Ressourcen so schonend wie möglich umzugehen, hat bei der Agrana schon in den vergangenen Jahren zu verstärkten Bemühungen geführt, von fossilen Kohlenstoffen wegzukommen. Da sei natürlich immer die Frage zu stellen, was hat man selbst unter Kontrolle und welche Aufgaben entstehen in den vor- und nachgelagerten Stufen. Mühleisen verweist diesbezüglich auf "einen sehr ambitionierten Plan, wie wir unsere Fabriken dekarbonisieren". Das Unternehmen wolle und werde über die nächsten Jahre auf Net-Zero runterkommen.
Kostendruck, Energiekrise, Krieg in der Ukraine und Versorgungsengpässe werden Agrana allerdings auch in den nächsten Jahren noch beschäftigen, ist Mühleisen überzeugt. Eine der ganz großen Fragen wird es bleiben, die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich die Inflation wieder etwas einbremst … "weil das etwas ist, was uns alle belastet".