WIEN. Der österreichische Handel ist mit 709.000 Beschäftigten laut Statistik Austria der größte Arbeitgeber des Landes und mit 93.200 Unternehmen der Wirtschaftszweig mit den meisten Unternehmen. Dennoch steckt die Branche in einer ihrer größten Krisenphasen aufgrund von rückläufigen Umsätzen und explodierenden Kosten. Auf welche Handelssparten und Produktgruppen sich die Privatausgaben im stationären Einzelhandel sowie im Onlinehandel 2022 verteilt haben und welche Auswirkungen die Teuerung sowie die Energiekrise auf das Konsumverhalten haben, untersucht die brandneue Studie "Österreichs Handel in Zahlen" vom Beraternetzwerk Kreutzer Fischer & Partner für den Handelsverband. Darüber hinaus liefert der Report die erste Jahresprognose für dasGesamtjahr 2023.
Minus 0,3%: Wirtschaftliches Comeback 2022 nicht geglückt
Wie die detaillierten Zahlen von Kreutzer Fischer & Partner zeigen, ist dem Handel das erhoffte Comeback im Jahr 2022 nicht geglückt. Im Vergleich zu dem noch von den Corona-Lockdowns durchzogenen Jahr 2021 stiegen die einzelhandelsrelevanten Ausgaben der privaten Haushalte (ohne Kfz) im Vorjahr um insgesamt 7,3% (nominell) auf 75,1 Mrd. Euro (2021: 70,0 Mrd. Euro). Real blieb die Nachfrage damit aber um -0,3% unter dem Niveau des Vergleichszeitraums.
"Im Teuerungsjahr 2022 sahen sich viele Österreicherinnen und Österreicher wegen der hohen Strompreise und Mietkosten dazu gezwungen, bei den Einkäufen zu sparen", erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die zentralen Ergebnisse der Studie. "Pandemiebedingte Nachholeffekte haben sich leider als Strohfeuer herausgestellt. Von einer Rückkehr zum Konsumverhalten wie vor Corona 2019 kann aufgrund der veränderten Kaufgewohnheiten hin zu Dienstleistungen sowie angesichts einer schmelzenden Kaufkraft keine Rede sein." Zwar konnten im Vorjahr insbesondere Branchen wie der Bekleidungs- und der Schuhhandel (+19,9%) von Nachholeffekten profitieren, doch auch diese blieben unter den Umsatzniveaus der Jahre vor 2019.
Exorbitante Ausgabenverschiebung zu Urlaub und Freizeit
Eine Ausnahme stellt der Sportartikelhandel dar, der 2022 die Verluste von 2020 und 2021 aufholen bzw. mit einem Wachstum von +34% auch das Vorkrisenniveau übertreffen konnte. "Hauptverantwortlich dafür ist der wieder angesprungene Tourismus. Das zeigt ein Blick auf die Details. So ist der Verleih von Sportgeräten mit +89% am weitaus stärksten gewachsen. Auch hier zeigt sich der Trend weg vom Warenkauf hin zu Dienstleistungen", gibt Studienautor Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von Kreutzer Fischer & Partner, Auskunft.
Generell ist eine deutliche Verschiebung der Konsumausgaben in Richtung Urlaub und Freizeit zu bemerken. Laut den aktuellen Daten sind die Ausgaben in diesem Bereich im Jahr 2022 um +45,5% gewachsen. Eine Entwicklung, die sich heuer fortsetzen wird: Für 2023 prognostiziert Kreutzer ein weiteres Wachstum um +23%.
Prognose 2023: Einbruch bei den Handelsausgaben (- 3,9%)
Der durch die multiplen Herausforderungen der letzten Jahre geschwächte Einzelhandel befindet sich auch im zweiten Jahr der Teuerungskrise weiter auf dem Rückzug. Für nahezu alle Warengruppen geht die Studie in ihrer Prognose für das Gesamtjahr 2023 von real rückläufigen Ausgaben aus:
Nahrungs- und Genussmittel: -2,6%
Gesundheit und Körperpflege: +0,9%
Modeartikel: +1,4%
Einrichtung/Hausrat: -11,7%
Elektrogeräte/IT: -7,8%
Sportartikel: -1,6%
Bücher/Zeitschriften: -11,2%
Haus & Garten: -11,5%
Minus 9,3 %: Onlinehandel verliert erneut massiv
"Insgesamt schrumpft die Nachfrage im Einzelhandel heuer signifikant um –3,9 Prozent. In manchen Handelssparten geht die Prognose sogar von einem inflationsbereinigten Rückgang von mehr als zehn Prozent aus. Auch der eCommerce wird 2023 erneut deutlich verlieren, wir erwarten ein Minus von 9,3 Prozent", so Handelssprecher Rainer Will.
"Selbst im Modehandel, der zwar ausgehend von einem katastrophalen Niveau immerhin etwas zulegen konnte, bleiben die Umsätze weiterhin klar unter jenen der Vor-Corona-Zeit. Das alles bei gleichzeitig stark gestiegenen Kosten für Energie, Personal und Logistik", sagt Harald Gutschi, UNITO/OTTO Group Geschäftsführer sowie Vizepräsident des Handelsverbandes und Leiter der Plattform "eCommerce, Marktplätze & Versandhandel".
Wohin fließt das Geld, wenn nicht in den Handel? Neben Urlaub und Freizeit streicht Studienautor Andreas Kreutzer einen weiteren Bereich hervor: "Die Wohnkosten, die bereits im Vorjahr um 16 Prozent gestiegen sind, legen heuer noch einmal um mehr als neun Prozent zu. Allein in diesem Bereich sind die Ausgaben der Österreicherinnen und Österreicher somit innerhalb von zwei Jahren um 6 Mrd. Euro gestiegen."