WIEN. Die vom Handelsverband und vielen weiteren Interessenvertretungen initiierte Verordnung, die einen temporären Schutz von geflüchteten Menschen aus der Ukraine regelt, wird Mitte März 2022 im Parlament verabschiedet. Damit erhalten ukrainische Flüchtende zumindest ein Jahr Schutz in Österreich und auch Zugang zum Arbeitsmarkt. 83% der heimischen Handelsbetriebe hatten den HV-Vorschlag im Vorfeld aktiv unterstützt.
"Die Menschen in der Ukraine brauchen jetzt unsere Unterstützung. Für die gesamte Handelsbranche ist es selbstverständlich, in dieser humanitären Katastrophe zu helfen – mit Hilfslieferungen an die Grenzregionen, mit finanziellen Spenden und mittelfristig auch mit Arbeitsplätzen für Flüchtende hier in Österreich. Wir freuen uns, dass durch die heutige Verordnung Kriegsflüchtende einen vorläufigen Aufenthaltstitel erhalten, damit sie auch unbürokratisch in unserem Land arbeiten und sich in einem sicheren Umfeld ihren Lebensunterhalt verdienen dürfen", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Ukraine-Krise befeuert Inflation
Laut Wifo wirkt der Krieg – abseits der menschlichen Tragödien – auch massiv inflationstreibend und wachstumsabschwächend, wir bewegen uns Richtung "Stagflation". Hinzu kommen etwa im Handel erste Lieferengpässe bei Produktgruppen wie Speiseöl, Reis, Konserven und Mehl – immerhin zählen sowohl die Ukraine als auch Russland zu den weltgrößten Getreideproduzenten.
Auch die Liste der Sekundärfolgen des Konflikts ist besorgniserregend. Schon die Pandemie hat gezeigt, wie fragil die globalen Lieferketten sind. Steigende Energiepreise und fehlendes Logistikpersonal verstärken diese Effekte und können weitere Kettenreaktionen auslösen. Jeder Strompreisanstieg und jede Treibstoffkostensteigerung führt unweigerlich zu einer Erhöhung der Betriebskosten. Das betrifft alle Wirtschaftsbereiche, von der Industrie, über die Landwirtschaft und den Handel bis zum Tourismus.
50 Prozent der Handelsbetriebe erwarten heftige Kostensteigerungen, nur ein Drittel ist gerüstet
Eine aktuelle Studie des Handelsverbandes hat ergeben, dass bereits 13% aller Händler kriegsbedingte Lieferverzögerungen verzeichnen, die Hälfe der Betriebe erwartet in den kommenden Wochen teils dramatische Kostensteigerungen. Laut einer Blitzumfrage der österreichischen Mittelstandsinitiative haben die heimischen KMU bereits im vierten Quartal 2021 eine Steigerung der Energiepreise um 66% verzeichnet. Für das zweite Halbjahr 2022 erwarten die Firmen einen weiteren Anstieg um durchschnittlich 59% allein durch die ökosoziale Steuerreform. Die Auswirkungen der Ukraine-Krise sind da noch gar nicht eingepreist, weil sie noch nicht im vollen Umfang absehbar sind.
"Viele Branchen wie die Gastronomie, die Hotellerie oder der stationäre Handel haben Corona noch lange nicht überwunden, jetzt kommt der nächste Schlag. Nur ein Drittel der heimischen Unternehmen sieht sich gegen die steigenden Kosten gerüstet, bei zu vielen geht der Kostenanstieg an die Substanz. Eines ist klar: Ohne Preiserhöhungen werden die meisten Handelsbetriebe 2022 nicht überstehen", ist Will überzeugt.
Handel ist energieintensiv und braucht Unterstützung
Es reicht nicht aus, ausschließlich die energieintensiven Produktionsbetriebe, deren Schwerpunkt in der Güterherstellung liegt, zu entlasten, indem ein Teil der bezahlten Energieabgaben vom Finanzamt zurückerstattet wird. Auch der Handel hat hohe Energiekosten und braucht Unterstützung. Von der Kühlung von Lebensmitteln bei der Filialanlieferung, Verwahrung und Auslieferung bis hin zur Klimatisierung von Geschäftslokalen sind hier zentrale Bereiche energieintensiv ausgestaltet. Gleichzeitig frisst die Teuerung im Bereich Strom, Gas und Treibstoffe die Kaufkraft der Konsument:innen weg, d.h. die gesamte Branche wird doppelt getroffen.
Energiepreisbremse für den Handel & bundesweites Energiemonitoring – jetzt
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Krisenresilienz eine völlig neue Bedeutung. Österreich muss seine Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren, den Selbstversorgungsgrad etwa bei Lebensmitteln weiter steigern und Produktionskapazitäten zurück ins Land holen.
"Auch die Bundesregierung ist jetzt gefordert. Wir brauchen ein transparentes, bundesweites Energiemonitoring, um drohenden Engpässen etwa bei Lkw-Diesel besser vorbeugen zu können. Es reicht nicht, nur die energieintensiven Industriebetriebe zu entlasten. Der Handel hat ebenfalls hohe Energiekosten und muss daher analog zu den Produktionsbetrieben zumindest einen Teil der bezahlten Energieabgaben vom Finanzamt zurückbekommen", appelliert Rainer Will an die Politik. (red)