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© Katharina Schiffl

Rainer Will, Handelsverband

Redaktion 30.03.2023

Handelsverband und KMU Forschung Austria präsentieren gemeinsam das Jahrbuch Handel 2023

Branche erneut umsatz- stärkster Wirtschaftsbereich und zweitgrößter Arbeitgeber des Landes.

WIEN. Handelsverband & KMU Forschung Austria präsentieren "Jahrbuch Handel 2023". Umsatz klettert auf 319 Mrd. Euro, Zahl der Beschäftigten auf 625.000. 62% der Händler verzeichnen Personalmangel. Einzelhandel mit 15.500 offenen Stellen.

Der Handel ist und bleibt für die österreichische Wirtschaft von zentraler Bedeutung, so lautet die Botschaft des brandneuen Jahrbuch Handel 2023, das der Handelsverband am Mittwoch gemeinsam mit der KMU Forschung Austria präsentiert hat. Der Report liefert die umfassendste Datenanalyse des österreichi-
schen Handels, zeigt neueste Zahlen zur Branchenstruktur, Umsatz- und Personalentwicklung sowie zur Renta-
bilität und Wertschöpfung:

• Zu Jahresbeginn 2022 waren 82.390 Unternehmen mit 625.060 unselbstständig Beschäftigten in der Handelsbranche (Einzelhandel, Großhandel, Kfz-Handel) tätig.
• Gemeinsam erzielten sie im Vorjahr 319,3 Milliarden Euro an Umsätzen sowie eine Bruttowertschöpfung
von knapp 39 Milliarden Euro.
• Der Einzelhandel kommt auf 44.380 Unternehmen mit insgesamt 346.210 Beschäftigten und einem Umsatz
von 81,8 Milliarden Euro (2022). Davon entfallen 32% auf den Lebensmitteleinzelhandel, der rund 115.900
Mitarbeiter:innen beschäftigt.
• Die Zahl der Lehrlinge ist 2022 auf 15.190 (+0,3%) gestiegen, lag vor der Corona-Pandemie 2019 allerdings
schon bei 15.280.
• Im EU-Vergleich erreicht Österreich sowohl bei der Zahl der Beschäftigten als auch beim Umsatz Platz 9.
Platz 1 geht jeweils an Deutschland mit fast 6 Mio. Beschäftigten und 2,12 Billionen Euro Umsatz.

Handel ist umsatzstärkster Wirtschaftsbereich & zweitgrößer Arbeitgeber des Landes
"Handel ist Leben. Mit einem Anteil von 22% stellt der Handel in Österreich die meisten Unternehmen aller Bran-
chen und ist der umsatzstärkste Wirtschaftsbereich. Wir sind mit mehr als 625.000 Beschäftigten zweitgrößter
Arbeitgeber des Landes und schultern fast ein Fünftel der gesamten Wertschöpfung", fasst Handelsverband-Ge-
schäftsführer Rainer Will die volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche zusammen.

"Mehr als die Hälfte der Beschäftigten im Handel sind Frauen, die Teilzeitquote liegt bei 36%. Der Handel ist auch
ein wichtiger Arbeitgeber für Migrantinnen und Migranten, mehr als ein Viertel der Mitarbeitenden haben Mig-
rationshintergrund", ergänzt Wolfgang Ziniel, Projektleiter der KMU Forschung Austria.

Handelsumsätze seit 2019 real um 3,6% zurückgegangen
Spannend: Nachdem die positive Entwicklung der Jahre 2016 bis 2019 im Handel in Folge der Corona-Pandemie
gestoppt wurde, zeigte sich bereits 2021 wieder ein leichter Aufwärtstrend und 2022 trotz Ukraine-Krieg und
Energiekrise zumindest eine Stabilisierung auf diesem Niveau.
"Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 hat sich die Zahl der Unternehmen um 1% erhöht. Die Beschäftigtenzahl
konnte zwischen 2019 und 2022 sogar um 2,5% ausgebaut werden", so Will. "Die Umsätze lagen 2022 nominell
um 15,3% über dem Niveau von 2019. Real, also unter Berücksichtigung der Inflation, hat sich die negative Ent-
wicklung jedoch fortgesetzt. Insgesamt sind die Handelsumsätze seit 2019 inflationsbereinigt um 3,6% zurückgegangen."

Die 5-jährige Bestandsquote von im Jahr 2015 gegründeten Unternehmen belief sich im Handel im Jahr 2020 auf
50%. Das bedeutet, dass von den 2015 neu gegründeten Handelsunternehmen im Jahr 2020 noch die Hälfte auf
dem Markt tätig war. Nachdem es zwischen 2019 und 2021 zu einem starken Rückgang der Insolvenzen im Han-
del gekommen ist, haben sich diese 2022 wieder deutlich erhöht und auf das Vorkrisenniveau von 2019 (knapp
900 Insolvenzen) eingependelt.

Europäischer Handel im Vergleich: Deutschland & Italien führend
EU-weit können ein Viertel aller Unternehmen, 23% der unselbstständig Beschäftigten sowie 35% der Umsätze
der Privatwirtschaft dem Handel zugerechnet werden. Insgesamt gibt es in der EU rund 6 Mio. Handelsunterneh-
men mit mehr als 24,6 Mio. Mitarbeiter, die mehr als 8,7 Billionen Euro an Umsatz erzielen. Die meisten
Handelsunternehmen haben in Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und Polen ihren Sitz.

"Während EU-weit die meisten Handelsunternehmen in Italien zu finden sind, steht der deutsche Handel in Bezug
auf die Beschäftigung und Umsatz mit einem Anteil von jeweils 24% mit Abstand an erster Stelle. Auf Österreich
entfallen rund 1% aller Handelsunternehmen, 2% der Handelsmitarbeiter:innen sowie 3% der Handelsumsätze
der EU-27", erklärt Wolfgang Ziniel.

Händlerbefragung: 62% von Arbeitskräftemangel betroffen
Also trotz multipler Krisen alles Roger im Einzelhandel? Leider nein! "Der Schein trügt. Die Einzelhandelsumsätze
2022 im Vergleich zu 2021 real um 0,8% zurückgegangen, gleichzeitig sind die Kosten gestiegen. Umsatz ist auch
nicht gleich Gewinn. Viele Händler haben während der Pandemie und zuletzt in der Energiekrise Liquiditätsprob-
leme bekommen. Sie waren gezwungen, ihre Preise zu senken bzw. weniger stark anzuheben als im Einkauf – und
die Kundschaft mit teils ungesunden Rabattaktionen zum Kauf zu motivieren. Das hat die Gewinnspannen stark
nach unten und teilweise in die Verlustzone gedrückt", sagt Rainer Will.

Abseits der Umsatzentwicklung gibt es zurzeit ein Thema, welches die Handelsbranche am stärksten beschäftigt:
der Arbeitskräftemangel. Laut der jüngsten HV-Händlerbefragung sind aktuell fast zwei Drittel aller Handelsbe-
triebe davon betroffen. 6% mussten in den letzten 6 Monaten bereits einzelne Geschäfte temporär schließen,
weil das Personal gefehlt hat. Aktuell sind fast 4% von Filialschließungen betroffen, bei weiteren 14% ist nur ein
eingeschränkter Betrieb möglich.

Weitere Kernergebnisse zum Arbeitskräftemangel
• 26% der Händler haben heuer einen Personalabbau geplant;
• 32% schreiben zurzeit offene Stellen als Teilzeit aus, obwohl sie Vollzeit-Beschäftigte bevorzugen;
• 23% der Vollzeit-Beschäftigten auf der Fläche sind aktuell max. 4 Tage pro Woche im Einsatz;
• 74% der Handelsbetriebe lehnen die Einführung der 4-Tage-Woche (32h pro Woche) bei vollem Lohn-
ausgleich ab, weil dies finanziell nicht leistbar wäre;
• Für 19% der Händler wäre die generelle Einführung der 4-Tage-Woche denkbar, aber nicht bei vollem
Lohnausgleich;

Handelsverband-Forderung: Arbeitsmarktreform jetzt! Arbeit muss sich (wieder) lohnen!
Daher setzt sich der Handelsverband vehement für die Umsetzung der angekündigten Arbeitsmarktre-
form ein. Der dringende Bedarf zeigt sich in fast jedem Betrieb. "Alle reden über Nachhaltigkeit, aber niemand
über ein nachhaltiges Pensionssystem. Die Bundesregierung muss eine ‚Generation geringfügig‘ vermeiden, über
die negativen Konsequenzen von Teilzeitarbeit für die eigene Pension aufklären und dem Arbeitskräftemangel
aktiv entgegenwirken", fordert Handelssprecher Rainer Will. "Was es dafür braucht? Bessere Anreize, um arbeitslose Menschen ins Erwerbsleben zu integrieren. Jenen Beschäftigten, die ihre Stunden erhöhen wollen, darf
die zunehmende Abgabenlast keinen Strich durch die Rechnung machen. Genau das ist jedoch derzeit der Fall."
Teilzeit ist für viele der GenZ ein neues Lebensmodell. Die Bundesregierung ist aufgerufen, eine breitflächige
Aufklärung zu starten und zu erklären, dass durch die Teilzeitfalle nicht nur die Auswirkungen der Teuerungskrise
verstärkt werden, sondern langfristig Altersarmut droht, wenn Pensionsansprüche dahin schmelzen.

Das Problem: Kaum wo in der EU zahlen Arbeitgeber so viel für ihre Beschäftigten, ohne dass es den Angestellten
selbst bleibt. Vollzeitarbeit muss endlich attraktiviert werden und auch die Erhöhung des Stundenausmaßes in
Teilzeit darf nicht länger durch übergebührliche Zunahme an Abgaben "bestraft" werden. "Im EU-Vergleich ist
die Abgabenbelastung nur in Belgien und Deutschland noch höher als in Österreich. In allen anderen EU-Ländern
bleibt einem Durchschnittsverdiener monatlich mehr Netto vom Brutto. Wir müssen jene Menschen mobilisieren,
die arbeiten können, aber nicht wollen, um auch jene nachhaltig in ihrer Lebenssituation abzusichern, die arbeiten
wollen aber nicht können", bestätigt Will.

Hinzu kommt: In ganz Europa ist es, abgesehen von Belgien und Spanien, in keinem anderen Land finanziell un-
attraktiver, seine Arbeitszeit auszuweiten. Wenn eine Teilzeitkraft die Wochenarbeitszeit um 50% ausweitet,
steigt der Nettolohn in Österreich nur um 32%. In Schweden sind es hingegen 44%.

"Zwei Drittel unserer Betriebe suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn sich mehr Menschen für Vollzeit statt Teilzeit entscheiden sollen, dann brauchen wir nicht nur eine flexiblere Gestaltung von Arbeit, sondern auch flächendeckende
Kinderbetreuungseinrichtungen im ganzen Land und vor allem mehr Netto vom Brutto. Es geht nicht darum, Teil-
zeit gegen Vollzeit auszuspielen. Es geht vielmehr darum, dass es sich finanziell auch proportional auszahlen muss,
die Stunden zu erhöhen. Leistung muss sich wieder lohnen, das Zauberwort heißt Anreize setzen", so Rainer Will
abschließend. (red)

Das vollständige Jahrbuch Handel 2023 ist unter www.handelsverband.at
beziehbar.

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