Die BWB will nach den am Freitag verkündeten 16 Geldbußenanträgen gegen die Tiroler Supermarktkette MPreis auch gegen andere Lebensmittelhändler wegen unfairen Handelspraktiken ermitteln. "Wir gehen jetzt allen Verdachtsmomenten in diesem Bereich mit Nachdruck nach und ich möchte hier nicht ausschließen, dass es hier in den nächsten Monaten noch weitere Entwicklungen geben wird", betont BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch. Ein Vorgehen gegen unfairen Handelspraktiken stehe "ganz oben auf der Prioritätenliste der BWB". Gegen welche anderen Supermarktketten ermittelt wird, wird derzeit nicht bekannt geben. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat vergangene Woche die langerwartete Branchenuntersuchung zum Lebensmittelhandel vorgestellt. Vier von zehn befragten Lieferanten, die an Rewe (u.a. Billa, Penny), Spar, Hofer und Lidl liefern, seien nach eigenen Angaben von sogenannten "schwarzen Klauseln" betroffen, sagte Harsdorf-Borsch in der "ZIB2" am Freitagabend. Dies habe sich auch im Ermittlungsverfahren gegen MPreis bestätigt. MPreis betreibt 279 Supermarkt-Filialen im Westen Österreichs sowie in Südtirol und hat vor allem in Tirol einen hohen Marktanteil.
Die BWB erhielt Informationen, wonach MPreis an Lieferanten von Agrar- und Lebensmittelprodukten sogenannte Proforma-Rechnungen über unterschiedlich hohe Pauschalbeträge versandt habe, wobei die verlangten Zahlungen nicht im Zusammenhang mit den von diesen gekauften Produkten standen. MPreis habe Zahlungen zur Unterstützung eines Transformationsprozesses im MPreis-Unternehmen gefordert, so die Wettbewerbshüter. Sofern Zahlungen geleistet wurden, hat MPreis laut BWB diese an die Lieferanten bereits zurückgezahlt. Die Tiroler Supermarktkette wollte die Geldbußenanträge vorerst nicht kommentieren. Man habe das Schreiben der Bundeswettbewerbsbehörde zur Kenntnis genommen und der Sachverhalt werde "aktuell von der MPreis-Rechtsabteilung geprüft", hieß es auf Anfrage der APA.
Das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (FWBG) trat mit 1. Jänner 2022 in Kraft. Die BWB wurde mit dem Vollzug des FWBG als Durchsetzungsbehörde betraut und stellt nun erstmals Geldstrafenanträge auf Basis des neuen Gesetzes. Als verbotene "unfaire" Handelspraktiken gelten laut BWB beispielsweise einseitige Vertragsänderungen, das Verlangen von Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen des Lieferanten stehen, die rechtswidrige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen und die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen, falls ein Unternehmen bei Behörden eine Beschwerde einreichen will.
Die Bundesregierung hat heuer Verschärfungen im Kartellrecht angekündigt, aber noch nichts beschlossen. Mehrere Vorschläge hat die neue BWB-Chefin bereits an Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) übermittelt. "Man könnte zum Beispiel Transparenzmaßnahmen dann auch durch ein Kartellgericht festsetzen lassen. Wir können derzeit nur Empfehlungen aussprechen", sagte Harsdorf-Borsch im Hinblick auf die Branchenuntersuchungen gegenüber "Ö1". Ob und wann es zu Änderungen im Kartellrecht kommen wird, konnte die BWB-Generaldirektorin nicht beantworten. "Konkret habe ich jetzt noch keine Informationen dazu."