WIEN. Man wolle „nicht tatenlos zusehen, wie die Lücke zwischen Lehrstellen und Lehrstellensuchenden auseinanderklafft, sondern handwerklich interessierte Jugendliche direkt mit den fachkräftesuchenden Unternehmen zusammenbringen”, erklärt BFI Wien-Geschäftsführer Franz-Josef Lackinger. Herausgekommen sind, in einer Kooperation mit Wirtschaftskammer Wien und AMS, drei Termine für sogenannte Lehrlings-Castings.
Sport und Speeddating
An drei Terminen im Oktober und November hatten jeweils über 40 Jugendliche die Möglichkeit, in berufsnahen theoretischen und praktischen Übungen zu zeigen, was in ihnen steckt – und Wiener Lehrbetriebe (Installateure, Elektriker, Maler/Tapezierer) auf sich aufmerksam zu machen. Vertreten waren u.a. Porr, J.Stettner, Strabag, Rapid Wien und ÖBB.
Die Jugendlichen absolvierten Deutsch-, Mathematik-, Logik- und Koordinationstests, fertigten ein Werkstück an und punkteten beim Speeddating mit Unternehmensvertretern aus Industrie und Gewerbe. „Immer unter den kritischen Augen potenzieller zukünftiger Arbeitgeber”, so Lackinger. Dieses Setting bringe zahlreiche Vorteile mit sich: „Die Unternehmen aus Industrie und Gewerbe sparen sich langwierige Auswahlverfahren, und die Jugendlichen bekommen auf diese Art und Weise die Möglichkeit, sich abseits von Schulnoten zu präsentieren und ihre Sozialkompetenzen und Fertigkeiten in realen Bewerbungssituationen unter Beweis zu stellen.” Als Resultat gab es im Zuge des Castings auch die ersten Einstellungsgespräche.
Lackinger: „Wir bilden die Jugendlichen gern – und sehr erfolgreich – aus. Noch mehr freut es uns aber, wenn wir sie an Betriebe vermitteln und ihnen so einen guten Start ins Berufsleben ermöglichen können. Und ich gratuliere sowohl den Siegern des Castings zu den Jobaussichten, als auch den Unternehmen zu den Jungtalenten, die sie sich geangelt haben.”
„Kritik an ÜBA deplatziert”
Anlässlich des Castings betonte Lackinger eindringlich, dass die grundsätzliche Kritik an der überbetrieblichen Lehrausbildung (ÜBA) kontraproduktiv sei: „In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Lehrbetriebe um mehr als ein Viertel gesunken.” Gleichzeitig werden aber immer mehr Stimmen laut, die in Einrichtungen wie dem BFI Wien eine Konkurrenz zu den Lehrbetrieben sehen. Lackinger: „Wir nehmen nicht der Wirtschaft die Lehrlinge weg. Bei uns landen vielmehr diejenigen, die die Wirtschaft, aus welchen Gründen auch immer, nicht wollte.”
Angesichts der Leistungen der Jugendlichen im Zuge der Castings und der Tatsache, dass neun von zehn Lehrlingen mithilfe des BFI Wien den Lehrabschluss schaffen, empfiehlt Lackinger daher: „Vielleicht sollte das eine oder andere Unternehmen seinen Rekrutierungsprozess kritisch durchleuchten. Denn derzeit entgehen ihnen unzählige Rohdiamanten, die wir bis zur Lehrabschlussprüfung führen.”
Die Zahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, ist seit Jahren rückläufig und lag Ende 2017 bei nur noch rund 29.000. In den letzten zehn Jahren sind rund 10.000 Ausbildungsbetriebe verloren gegangen. (red)