Alle allein zu Haus – Arbeit im Homeoffice
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CAREER NETWORK Redaktion 20.03.2020

Alle allein zu Haus – Arbeit im Homeoffice

Wer kann und wer darf, arbeitet jetzt in den eigenen vier Wänden. Die neue Realität wird zur Normalität.

••• Von Sabine Bretschneider/APA

Am Freitag vergangener Woche wurden Österreichs Unternehmen aufgefordert, ihre Mitarbeiter, sofern irgend möglich, auf Telearbeit umzustellen. Hatten etliche Großunternehmen schon in den Tagen zuvor damit begonnen, einen Teil der Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, begann spätestens dann die „große Übersiedlung” – eine Herausforderung für jene, bei denen Telearbeit bis dato noch nicht Teil der Unternehmenskultur war. In KMU mangelt es oft an der „mobilen” Hardware und am individuellen Set-up, an den organisatorischen Regeln und Rahmenbedingungen fürs ausgelagerte Teamwork.

Piketty: Es geht ja doch

Der französische Ökonom Thomas Piketty („Das Kapital im 21. Jahrhundert”) kann sich vorstellen, dass das verstärkte Home­office und die Umsetzung drastischer Eingriffe in die Wirtschaft im Rahmen der Coronakrise zu einer Bewusstseinsänderung führen könnten. Die Krise führe den Regierungen vor Augen, wie sehr sie die Wirtschaft regulieren können, so Piketty am Freitag vergangener Woche in Wien. Und den Arbeitenden werde bewusst, dass Homeoffice funktioniert.

Vor ein paar Monaten, als es darum ging, Flüge zu reduzieren und den CO2-Ausstoß abzubauen, hätten das viele unter Verweis auf die ökonomischen Kosten ausgeschlossen. „Und jetzt, ganz plötzlich, wegen einer Gesundheitskrise, blockieren wir Flüge und schicken Leute nach Hause”, sagte Piketty, der auf Einladung der Arbeiterkammer zur Vorstellung seines neuen Buchs („Kapital und Ideologie”) eben erst in Wien war.
Allerdings sind jene, die jetzt vorführen, dass vieles auch ohne Präsenz am Arbeitsplaz möglich ist, privilegiert. Mit einem klassischen „Schreibtischjob”, in Banken, Versicherungen, Verwaltung, auch in Medienunternehmen, kann man eher via Internet und Telefon weitermachen als in Produktionsbetrieben, Handel, Tourismus oder Transport.
Laut einer Umfrage des Verkehrsclub Österreich (VCÖ; in anderem Zusammenhang im Dezember 2019 durchgeführt) ist der typische Nutzer von Homeoffice – außerhalb der derzeitigen Coronakrise – übrigens ein Mann über 50 und in einer Stadt wohnhaft. Im Vorjahr arbeiteten 23% der Beschäftigten zumindest gelegentlich von zu Hause aus. Der Anteil war bei Männern mit 28% höher als bei Frauen mit 17%. Und während in den Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern bereits ein Drittel der Beschäftigten auch von zu Hause arbeiten kann, ist es in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern nur ein Fünftel. Der VCÖ forderte in diesem Zusammenhang einen Fokus weg vom Straßenbau hin zu einem Ausbau der digitalen Infrastruktur.

Härtetest für Infrastruktur

Die einschlägige Infrastruktur erlebt derzeit einen Härtetest: Die Auslastung der Telefonie- und Datennetze in Österreich stieg an. Eine Überlastung droht aber nicht, beruhigen sowohl Telekom-Regulator Klaus Steinmaurer als auch die Provider A1 Telekom, Magenta und Drei.

Der Mobilfunk- und Internetanbieter Drei Hutchison hat am Montag einen deutlichen Anstieg der Sprachtelefonie registriert. Es habe mehr als doppelt so viele Sprachanrufe gegeben wie normalerweise, sagte Drei-Chef Jan Trionow zur APA. „Wir hatten 60 bis 70 Prozent höhere Lastspitzen als normalerweise im Netz.” Das verkrafte man sehr gut, so Trionow; kurzzeitige Einschränkungen habe es lediglich bei der Zusammenschaltung mit anderen Netzen gegeben, das habe man gemeinsam mit den Partnern aber schnell beheben können. Der Anstieg der Datennutzung sei moderat gewesen, sagte Trionow. „Das liegt daran, dass unsere Netze für Lastspitzen durch die Videonutzung am Abend dimensioniert sind. Wenn jetzt untertags mehr Video genutzt wird oder es mehr Homeoffice-Nutzung gibt, dann können wir das mit den verfügbaren Kapazitäten recht gut abdecken. Von Überlastungsgrenzen sind wir noch weit entfernt.”
Prinzipiell müsse man die Netze aber weiter ausbauen. „Wir brauchen Zugang zu Liegenschaften, wir brauchen die Unterstützung von Partnern, um punktuell das Netz erweitern zu können. Dieser Prozess kann nicht eingestellt werden, der muss unbedingt weitergehen.”

„Sicher” ist anders

Der selben Meinung ist die Industriellenvereinigung (IV). IV-Vertreter plädierten vergangene Woche bei einem kurzfristig angesetzten Pressegespräch zur Coronakrise für einen forcierten Ausbau der Digitalisierung der österreichischen Volkswirtschaft. Dies zähle zu den wichtigsten Zukunftsausgaben und könne „nach der Krise einen markanten Schub an Prozessinnovation durch Digitalisierung bzw. Virtualisierung mit sich bringen”. Auch sei eine „Sonderförderung für den Aufbau digitaler Homeoffice-Arbeitsplätze in Form einer sofortigen Abschreibung oder einer Digitalisierungsprämie” sinnvoll.

Ein aktuelles Problem, das sich wegen der überhasteten Umstellung auf Heimarbeitsplätze auftut, ist die Cybersecurity: „Tausende Menschen auf der ganzen Welt sind mit dem Firmennetz von einem Firmenlaptop oder einem privaten Laptop aus verbunden”, so die Berater von EY. Diese Arbeitsweise könne jetzt für viele Unternehmen zum Risikofaktor werden: Neue Software musste installiert werden und private Laptops sind nicht mit derselben Software geschützt wie Firmen-PCs. „Die Mitarbeiter sind derzeit einer Ausnahmesituation ausgesetzt und hinterfragen eventuell Mails und Anfragen nicht mehr; das ist gerade für Phishing-Mails ein fruchtbarer Nährboden”, heißt es. Außerdem könne auch Malware jetzt über Schwachstellen ins Unternehmen kommen, die dann aktiviert wird, wenn wieder alles in vermeintlichem „Normalbetrieb” läuft.

Kommunikation ändert sich

Drei-Chef Trionow prognostiziert, dass sich das Kommunikationsverhalten durch die aktuelle Krise künftig grundsätzlich ändern könnte: „Ich glaube, dass nach dieser Krise die Welt nicht mehr die gleiche sein wird wie davor. Wir werden in verschiedenen Lebensbereichen Lehren daraus ziehen. Die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, welche Dinge man auch über Video- und Telefonkonferenzen machen kann und über Homeoffice, diese Sichtweisen werden sich verschieben.”

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