WIEN. Der Nationalrat hat neue Mindestanforderungen für das Studium an heimischen Universitäten festgelegt. Die entsprechende Novelle des Universitätsgesetzes ist am Mittwoch dieser Woche mit den Stimmen der Koalition angenommen worden. Konkret ist die Einführung einer Mindeststudienleistung für Studienanfänger von 16 ECTS-Punkten innerhalb der ersten vier Semester vorgesehen.
Unterstützung gefragt
Diese Zahl an ECTS-Punkten entspricht knapp einem Achtel jener Leistung, die es für die Mindeststudiendauer bräuchte. SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl kritisiert die Novelle. Sie meint, dass angesichts der widrigen Umstände durch die Pandemie jetzt Unterstützung und nicht Verschärfung angebracht wäre; ihre Parteikollegin Katharina Kucharowits verwies auf Studenten mit Jobs oder Pflegeverpflichtungen.
Grünen-Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger beschwichtigte mit Blick auf Corona: Die neuen Regelungen würden ohnehin erst 2022/2023 wirksam. Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hingegen gab zu bedenken, dass es sehr wohl auch Befürworter höherer Anforderungen gebe. Für FP-Mandatar Axel Kassegger handelt es sich bei der Regelung um ein „Verwaltungsmonster, das einem Schildbürgerstreich gleicht”.
„Ambitionslos”
Freiheitliche und Neos kritisierten die Novelle insgesamt als eher ambitionslos. Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre meinte: „Es fehlt an Mut, es fehlt an Vision.” Für Kassegger ist weiter eine echte Studienplatzfinanzierung ausständig. Es werde nur verwaltet. Faßmann sah hingegen einen „runden Entwurf”. Neu geregelt werden mit der Novelle auch Kettenverträge an den Unis. Damit soll sichergestellt werden, dass diese nicht endlos verlängert werden können. Zusätzlich wird die Basis dafür geschaffen, dass bei Titeln das Geschlecht ausgewiesen werden kann, bei Frauen mit einem hintan gestellten „a” bei diversen Personen mit einem „x”.
Viel Kritik im Vorfeld
Die geplante Novelle des Universitätsgesetzes hatte im Vorfeld für viel Kritik gesorgt – auch, nachdem sie zuletzt abgeschwächt worden war. Mehr als 1.700 Forscherinnen und Forscher hatten einen offenen Protestbrief unterschrieben; Hauptkritikpunkte waren die Mindestleistung für Studienanfänger und die Neuregelung der Kettenverträge.
„Die UG-Novelle, wie sie nun in den Wissenschaftsausschuss eingebracht werden soll, ist aus unserer Sicht immer noch abzulehnen”, hieß es von den Proponenten des offenen Briefes gegenüber science.ORF.at. Dass die Mindeststudienleistung für Studienanfänger gegenüber dem ersten Entwurf nun verringert wurde, reicht ihnen nicht. Das Bild von Studierenden, von dem die Novelle ausgehe, sei weiterhin jenes des wohlsituierten Vollzeitstudenten, der das Studium unmittelbar nach der Matura aufnimmt. Studieren und Forschen bleibe in Österreich etwas für Privilegierte.
„Keine Zukunft an der Uni”
„Wie etwa berufstätige oder first-generation Studierende unterstützt werden sollen, bleibt offen”, sagen die Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Günther und der Philosoph Odin Kröger von der Universität Wien. „Wir haben auch Sorge, dass die geforderte Anzahl von ECTS-Punkten in den nächsten Jahren schrittweise erhöht werden wird.” Sie kritisierten auch die Neuregelung befristeter Arbeitsverhältnisse: „Viele Kollegen und Kolleginnen sehen keine Zukunft mehr an den Universitäten; sie haben nun Angst, dass sie, je nach Anstellungsverhältnis, entweder schon im Oktober oder spätestens in acht Jahren, wenn die letzten Übergangsregelungen auslaufen, vor der Arbeitslosigkeit stehen”, sagen Günther und Kröger. (APA/red)