••• Von Paul Christian Jezek
WIEN. Nachdem die Krise auf dem Milchmarkt bereits in den letzten Sitzungen des Landwirtschaftsausschusses für lebhafte Debatten gesorgt hatte, fassten die Nationalratsabgeordneten am 29.10. einstimmig den Beschluss auf Einsetzung eines Unterausschusses, der sich mit der für die österreichischen Betriebe neuen Situation eingehend befassen soll.
Ein erstes Bild über die aktuelle Lage auf den Agrarmärkten konnte sich der Ausschuss bereits in einem Expertenhearing machen – der Sektionschef im Landwirtschaftsministerium, Rupert Lindner, leitete sein Statement mit einem Rückblick auf die Entwicklung der Agrarmärkte der letzten 15 Jahre ein.
In dieser Zeit hat ein grundsätzlicher Wandel der EU-Agrarpolitik stattgefunden: Die EU habe sich dem Weltmarkt geöffnet, damit schlage auch die Volatilität der Weltmärkte durch. Gleichzeitig seien viele Steuerungsmittel im Agrarbereich weggefallen, als wichtigstes seien nur die Direktzahlungen im Rahmen der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) geblieben. Die Sicherung der landwirtschaftlichen Einkommen müsse daher neue Wege gehen, meinte Lindner. Dazu gehörten die Honorierung von Umweltleistungen, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die Qualitäts- und Herkunftsstrategie für die Vermarktung der Produkte und neue Nebenerwerbsmöglichkeiten.
Die starke Milch-Volatilität
Thomas Resl von der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft ergänzte die Darstellungen Lindners mit Infos zu den globalen Agrarmärkten: Die Rolle der Agrarpolitik sei geringer geworden, Angebot und Nachfrage sowie externe Faktoren wie das Russlandembargo wirken sich auf die Märkte stark aus. Obwohl nur ein kleiner Teil der Agrarprodukte in den Welthandel gelangt (bei Milch etwa nur 9%), spielt dieser Anteil eine wichtige Rolle für die Preisbildung. Jede Ausweitung oder Verringerung der Produktion schlägt stark auf die Preisbildung durch. Resl: „Seit 2007 ist besonders bei den Milchpreisen eine starke Volatilität zu beobachten.”
Die Agrarökonomin Maria Burgstaller von der Arbeiterkammer lieferte eine differenzierte Darstellung der bäuerlichen Einkommen sowohl nach dem Pro-Kopf-Einkommen als auch nach Betriebsformen. Kleine Betriebe und Nebenerwerbsbetriebe erzielen kein Markteinkommen aus ihren landwirtschaftlichen Produkten. Das bedeutet, dass sie auch von einer Erhöhung des Milchpreises nur wenig profitieren könnten – ihnen wäre mit höheren Einkommen aus unselbstständiger Arbeit eher geholfen. Für Haupterwerbsbetriebe hätte der Markt sehr wohl Bedeutung.
Nicht lebensfähig?
Der Geschäftsführer der Biomolkerei Lembach, Johann Furtmüller, erklärte, seine Molkerei sei mit ihrer geringen Größe theoretisch eigentlich nicht überlebensfähig; für ihren Erfolg seien zwei Faktoren ausschlaggebend: Erstens gebe es eine steigende Nachfrage nach Biomilch und damit steigende Preise, des Weiteren bestehe für den Vertrieb der Produkte eine Kooperation mit industriellen Molkereibetrieben. Die Zukunft sieht Furtmüller daher in Kooperationen der konventionellen und der Bio-Landwirtschaft. Österreich müsse dazu den Biosektor stärken, denn von ihm profitiere auch die konventionelle Landwirtschaft. Klaus Salhofer von der Universität für Bodenkultur erläuterte, dass die Volatilität der Agrarpreise nicht notwendigerweise zugenommen habe, sie werde aber nun anders wahrgenommen. Grundsätzlich seien die Agrarpreise aber im Zeitraum von 2007 bis 2014 real gestiegen, nachdem sie zuvor seit dem 19. Jahrhundert tendenziell immer gefallen seien. Der Weltmarkt sei jedenfalls eine Tatsache, der man sich stellen müsse. Damit die Landwirte auf die Volatilität der Märkte reagieren können, bedürfe es u.a. eines besseren betrieblichen Risikomanagements, meinte Salhofer.
Staatliche Maßnahmen könnten dann gesetzt werden, wenn ein tatsächliches Marktversagen vorliegt. Der Staat habe auch schon in verschiedenster Weise reagiert, etwa durch die Einführung der Betriebsprämie.
Milchbauer Wilfried Etschmayer sieht die milchproduzierenden Betriebe unter einem extremen wirtschaftlichen Druck; dieser sei durch das Russlandembargo noch erhöht worden: „So gesehen, war die Abschaffung des Quotensystems ein grundsätzlicher Fehler.” Er habe Zweifel am Willen der Agrarpolitik, die Landwirte zu unterstützen, sagte Etschmayer.
In den Diskussionen des Landwirtschaftsausschusses wurden vor allem die Fragen der bäuerlichen Einkommen, die Faktoren für die Preisentwicklung von Agrarprodukten, die Änderungen der Produktionsbedingungen und der Strukturwandel sowohl in der Landwirtschaft als auch im ländlichen Raum insgesamt sowie Marketingmaßnahmen angesprochen.
Mengenbeschränkungen?
Die als Experten eingeladenen Landwirte betonten, dass sie sich konkrete Maßnahmen seitens der Agrarpolitik erwarten. Das könnte laut Etschmayer auch Mengenbeschränkungen der Produktion umfassen, um die Preise zu stützen.
Der Tenor der Agrarexperten war dazu, dass eine Rückkehr zu einer Quote, in welcher Form auch immer, schwer denkbar wäre. Österreichs Agrarproduktion sei über Importe wie Exporte mit dem Weltmarkt zu eng verflochten, als dass nationale Preismaßnahmen längerfristig Wirkung zeigen könnten, meinte Salhofer: Jede Preiserhöhung auf diesem Weg würde durch die Marktkräfte rasch wieder aufgehoben werden.
Lindner betonte, dass bäuerliche Familienbetriebe letztlich krisenfester seien als Großbetriebe; diese Struktur gelte es für Österreich zu erhalten.
Der Strukturwandel werde sich zwar auch in den kommenden Jahren fortsetzen, sein Umfang habe sich aber bereits abgeschwächt, meinte der Experte des Landwirtschaftsministeriums.