Das kalte Gespenst der Inflation klopft wieder an
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FINANCENET Redaktion 15.10.2021

Das kalte Gespenst der Inflation klopft wieder an

Der wirtschaftliche Aufschwung hat Auswirkungen auf die Inflation – günstige Zinsniveaus nützen, sagt die BDO.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Österreichs Unternehmen haben die pandemische Verschnaufpause im Sommer gut genutzt, und die Konjunktur ist im Aufwind. „Dieser wirtschaftliche Aufschwung hat allerdings Auswirkungen auf die Inflations- und Zinsentwicklung”, sagt Finanzexperte Michael Grahammer, Partner bei BDO.

Übers Ziel hinausgeschossen

„Obwohl viele Volkswirte eine rasche Erholung der Wirtschaft bei sinkenden Coronazahlen und den dadurch ermöglichten Lockerungen prognostiziert hatten, überraschte das erratische Anspringen der Nachfrage, die Knappheit vieler Güter und die dadurch bedingten Preissteigerungen.

In vielen europäischen Staaten liegt die Inflation infolgedessen zu Herbstbeginn schon deutlich über dem angepeilten Ziel von zwei Prozent”, so Grahammer.
„Einige Wirtschaftsforscher vertreten die These, dass sich die Preise wieder stabilisieren und sich die Inflationsrate in Österreich 2021 bei 2–2,2 Prozent (in der EU evtl. leicht darüber; Anm.) einpendeln wird. Für 2022 wird ein Rückgang erwartet. Ich persönlich halte einen nachhaltigen Anstieg in Österreich für denkbar”, sagt der Finanzexperte.

Steiler Preisanstieg

Denn die Preissteigerungen bewegen sich in vielen Bereichen weit jenseits der zwei Prozent. So verteuerten sich Baukosten allein bis Juni 2021 gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent Erzeugerpreise stiegen um sieben Prozent, die Großhandelspreise um fast elf Prozent.

Darüber hinaus verzeichnen viele Branchen eine historisch hohe Nachfrage und Auslastung, die noch über Monate hinweg anhalten dürfte. Auf die Verbraucherpreise dürften sich die gestiegenen Kosten erst im Zuge der jährlichen Preisgespräche wie zum Beispiel bei Lebensmittelpreisen auswirken, sodass die Verteuerung hier verzögert eintritt.

Wohnimmos bleiben gefragt

Ähnliches gilt für Neuvergaben im Baubereich und ihre Folgen für die Immobilienpreise. Im Übrigen ist auch bei der Nachfrage nach Wohnimmobilien keine Normalisierung zu erwarten, solange das Zinsumfeld unverändert bleibt und die Bankenaufsicht keine regulatorischen Verschärfungen bzw. der Fiskus keine Besteuerung auf Immobilienvermögen beschließt.

„Aus meiner Sicht spricht vieles dafür, dass die Preise zumindest über die nächsten zwei Jahre deutlich stärker steigen werden als die aktuellen Prognosen dies erwarten lassen”, sagt Michael Grahammer.

Was machen die Zinsen?

Was bedeutet das aber für die Zinsen? „Nun, am langen Ende hat sich das Zinsniveau bereits deutlich von den Tiefstständen nach oben bewegt”, so Grahammer.

Während der Zehn-Jahres-Euro-Swap vor sechs Monaten bei ca. –0,3% p.a. lag, notiert er heute bei –0,059% p.a. – und somit gleich um ca. 25 Basispunkte höher. Demgegenüber hat sich der 3-Monats-Euribor im selben Zeitraum kaum verändert und liegt aktuell bei ca. –0,54% p.a.
Daran dürfte sich auch kurzfristig wenig ändern, zumal Preiseffekte in Österreich keinen Einfluss auf das europäische Zinsumfeld haben. Sollte hingegen die Überhitzung der Immobilienmärkte weiter ansteigen und die Inflation in Europa nachhaltig und deutlich über zwei Prozent liegen, wird sich zeigen, ob die Europäische Zentralbank nicht gezwungen sein wird, ein Ende der Anleihenkäufe und eine Normalisierung der Zinsen zumindest in Aussicht zu stellen.

Günstiges Niveau nutzen

„Ab diesem Zeitpunkt ist mit deutlich höheren Renditen und Zinsen zu rechnen. Daher empfehlen wir unseren Kundinnen und Kunden, die eigenen Zinskonditionen bereits heute kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls das noch günstige Zinsniveau für langfristige Absicherungen zu nützen”, sagt der BDO-Partner.

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