Die digitale Midlife-Crisis der Finanzler
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FINANCENET reinhard krémer 22.03.2019

Die digitale Midlife-Crisis der Finanzler

Banken und Versicherungen berichten von einem sinkenden Vertrauen in ihre digitalen Fähigkeiten.

••• Von Reinhard Krémer

Die Digitalisierungswelle rollt – aber offenbar nicht überall gleich stark, wie eine neue Studie des Capgemini Research Institute zeigt. Denn Banken und Versicherungen berichten von einem sinkenden Vertrauen in ihre digitalen Fähigkeiten. Das sind schlechte Karten für eine Branche, der ein massiver Konkurrenzkampf mit neuen Mitbewerbern droht.

Im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2012 war diesmal ein kleinerer Teil der Führungskräfte aus dem Finanzdienstleistungsbereich davon überzeugt, dass ihre Unternehmen über die notwendigen digitalen Fähigkeiten verfügen, um erfolgreich zu sein; dabei ist der Anteil der Zuversichtlichen von 41% auf 37% gefallen.

Manager-Midlife-Crisis

Obwohl mehr Manager der Meinung waren, dass sie über die notwendigen digitalen Voraussetzungen für eine hohe Kundenzufriedenheit verfügen (40% gegenüber 35%), ging das Vertrauen in die internen Prozesse deutlich zurück: Nur 33% der Führungskräfte gaben an, über die erforderlichen operativen Fähigkeiten zu verfügen – verglichen mit noch 46% vor sechs Jahren.

Man ortet auch einen Rückgang der Führungsqualitäten. So gaben lediglich 41% der Befragten an, dass ihre Unternehmen über die notwendigen Kompetenzen verfügen, gegenüber 51% im Jahr 2012. In einigen Bereichen sank das Vertrauen in die Leitung deutlich – darunter Unternehmensführung (von 45% auf 32%), Mitarbeitereinbindung (von 54% auf 33%) und IT-Geschäftsbeziehungen (von 63% auf 35%).
Führungskräfte kritisierten auch, dass es an einer überzeugenden Vision für die Digitale Transformation in ihren Unternehmen fehlt. Nur 34% der Befragten aus dem Bankwesen und 24% aus Versicherungen stimmten der Aussage zu, dass sich „unsere Vision der Digitalen Transformation durch interne Organisationseinheiten zieht”, wobei nur 40% respektive 26% angaben, dass „ein über­geordneter Fahrplan für die ­Digitale Transformation existiert”.
Weniger als die Hälfte der Banken (38%) gibt an, dass sie über die für die Transformation erforderlichen Digital- und Führungsqualitäten verfügen. Die Versicherungsbranche sieht dies ähnlich; hier sind 30% der Meinung, über die erforderlichen digitalen Fähigkeiten zu verfügen und 28% glauben, die notwendigen Führungsqualitäten zu besitzen.

Bei Zufriedenheit vorn

Der Bankensektor übertrifft jedoch die Dienstleistungssektoren ohne Finanzbezug in den Bereichen Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterbefähigung, Technologie- und Geschäftsausrichtung.

56% der Bankunternehmen gaben an, dass sie Analysetechniken einsetzen, um ihr Marketing zielgerichteter zu gestalten (im Vergleich zu nur 34% in der Versicherungsbranche und 44% in Sektoren ohne Finanzbezug). Mehr als die Hälfte (53%) der Bankinstitute erklärten auch, dass die Qualifizierung in digitalen Fähigkeiten für sie oberste Priorität hat; dies ist bei lediglich 32% der Versicherungen und bei 44% im nichtfinanziellen Dienstleistungssektor der Fall.
Im Bereich der Prozessautomatisierung haben wiederum die Versicherer die Nase vorn; hier gaben 42% der Führungskräfte an, robotergestützte Prozessautomatisierung zu verwenden, gegenüber 41% der Banker. Weiterhin bestätigten 34% den Einsatz Künstlicher Intelligenz im operativen Bereich – ver­glichen mit 31% der Bank-Manager.

Reality-Check zeigt Fakten

„Die Studie zeigt, dass in der gesamten Finanzdienstleistungsbranche ein Realitätscheck stattgefunden hat, da die etablierten Unternehmen nun das wahre Ausmaß der Herausforderung der Digitalen Transformation verstehen”, sagt Wolfgang Barvir, Head of Financial Services bei Capgemini in Österreich. „Gleichzeitig ist dies ein Weckruf für Banken und Versicherungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken.”

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