Die Großwetterlage an den Börsen im Herbst
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FINANCENET Redaktion 11.09.2020

Die Großwetterlage an den Börsen im Herbst

An den globalen Finanzmärkten steht eine Abkühlung ins Haus – politische Risiken trüben die Wetterlage.

••• Von Reinhard Krémer

Der Aufschwung der Börsen während der letzten Monate war fast schon furchterregend, weil asymptomatisch. Er erfolgte nämlich in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. „Der Weltaktienindex stieg auf Euro-Basis seit der letzten kleinen Korrektur Mitte Juni um immerhin zehn Prozent, während im selben Zeitraum der amerikanische S&P 500 um satte 16 und der Technologiemarkt Nasdaq sogar um 25 Prozent, jeweils auf Dollarbasis, ungebremst weiter nach oben kletterte”, sagt Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG. Die US-Aktienmärkte erreichten im Verlauf des Sommers sogar neue Allzeithöchststände.

Neuer Indikator entwickelt

Der Aufschwung war großteils auf die Maßnahmen von Regierungen und Notenbanken zurückzuführen, eine Korrektur quasi greifbar und wurde von Experten auch erwartet. Die Marktindizes von Europa, der Pazifikregion und den Schwellenländern sind hingegen von Höchstständen oder gar Allzeithöchstständen noch ein Stück weit entfernt.

„Die Unternehmensergebnisse werden wohl erst im Frühjahr 2021 wieder positives Wachstum aufweisen. Neben zahlreichen technischen Indikatoren und Stimmungsumfragen, die auf eine überkaufte Marktsituation bzw. eine schon überhitzte Anlegerstimmung hinweisen, sind zuletzt auch die politischen Risiken wieder angestiegen”, meint Ingrid Szeiler.
Bei den Staatsanleihen zeigten sich zwei Länder im Süden Europas renditeträchtig: „Die Spreads europäischer Peripherieländer sind zuletzt weiter gesunken. Der italienische und auch der spanische Staatsanleihemarkt waren bis Mitte August die einzig relevanten Euro- Staatsanleihemärkte, die einen positiven Ertrag abwarfen” sagt die Expertin.
„Unser Szenario, ein Abschmelzen der Euro-Staatsanleihe-Spreads, bleibt aufrecht und damit unsere Zurückhaltung gegenüber europäischer Peripherieanleihen (Italien und Spanien; Anm.)”, so die Raiffeisen-CIO.

High Yields im Fokus

Bei den hochprozentigen Anleihen tut sich Einiges: „Seit Mitte März haben sich die Spreads an den Unternehmensanleihemärkten halbiert. Am High-Yield-Markt wurden Ausfallsraten von über 15 Prozent erwartet. Gepreist werden nur noch 4,4 Prozent (Europa) bzw. 6,9 Prozent (USA). Ein intakter Primärmarkt, hohe Cash-Bestände der Unternehmen, Stützungskäufe der Notenbanken und bessere Konjunkturindikatoren (deren rasche Erholung von Analysten nach wie vor nicht antizipiert werden kann) sprechen für den Credit-Markt”, meint Ingrid Szeiler.

Riskante Schwellenländer

Ein neu auflodernder Konflikt zwischen USA und China könnte auch bei Anleihen noch Probleme bescheren: „Wir bleiben hinsichtlich Schwellenländer-Hartwährungsanleihen weiterhin positiv gestimmt, während wir bei europäischen Staatsanleihen vorsichtig sind”, sagt Szeiler. Auf der Suche nach real positiven Renditen drängten sich Emerging Markets-Hartwährungs-Anleihen für Investoren nahezu auf. „Das größte Risiko für die positive Ertragserwartung dieser Positionierung: Ein wieder stärker auflodernder Konflikt zwischen den USA und China und den damit verbundenen Kollateralschäden für den globalen Handel, unter Umständen noch vor der US-Präsidentschaftswahl”, meint die Finanzexpertin.

Der Druck, den die Börsen nun abbekommen haben, war greifbar: „Während die meisten internationalen Aktienmärkte in den letzten Monaten seitwärts tendierten, präsentiert sich der US-Aktienmarkt, angeführt vom IT-Sektor, weiter sehr fest. Die umfangreichen Fiskalpakete und geldpolitischen Maßnahmen stellen weiterhin einen wichtigen Unterstützungsfaktor dar. Die Zuspitzung der Kursgewinne auf immer weniger Sektoren und Unternehmen sehen wir aber kritisch”, warnt Szeiler.
Bei den Emerging Markets lief es bis dato nicht schlecht: „Die wichtigste Region der Emerging Markets, Asien, ist, global gesehen, bisher am besten durch die Krise gekommen”, sagt die Raiffeisen-CIO.
Die Kombination aus hartem Lockdown und konsequentem Tracing haben dazu geführt, dass man wohl dort am ehesten von einer V-förmigen Erholung sprechen kann: „Schwellenländer-Aktien konnten sich daher in den vergangenen Wochen recht gut entwickeln, obwohl einige der globalen Corona-Hotspots (Brasilien, Mexiko; Anm.) in der Region liegen”, meint die Finanzexpertin.

Türken gegen Griechen

Darüber hinaus stellen auch die Konfrontation der Türkei mit Griechenland und mögliche daraus resultierende EU-Sanktionen einen Risikofaktor dar, analysiert sie. „In Asien kommt es zu einem leichten Rückgang bei der Gewinnentwicklung, während in Lateinamerika und Osteuropa dramatische Gewinneinbrüche zu verzeichnen sind”, sagt Szeiler.

Sonnig am Rohstoffmarkt

In einem freundlichen Kapitalmarktumfeld setzte sich die Erholung bei den Rohstoffpreisen fort: „Neben den sektorspezifischen Unterstützungsfaktoren (Angebots- und Nachfragefaktoren) profitiert der Rohstoffbereich aktuell zusätzlich von der Entwicklung bei den Realzinsen und einem schwächeren US-Dollar. Kurzfristig vorsichtiger stimmt die zuletzt deutlich angestiegene Investorenpositionierung in dieser Anlageklasse”, meint die Raiffeisen CIO.

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