Die Volksbanken besinnen sich auf ihre Wurzeln
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FINANCENET Thomas Müller 25.03.2016

Die Volksbanken besinnen sich auf ihre Wurzeln

Gerald Fleischmann, General der Volksbank Wien, über den neuen Kurs des Unternehmens, Fusionen am Sektor – und Jimmy Cliff.

••• Von Thomas Müller

WIEN. Schon das schiere Ausmaß des Hypo-Skandals zieht nicht nur Steuergeld, sondern auch die öffentliche Aufmerksamkeit an wie ein schwarzes Loch – eigentlich eine komfortable Situation für den Volksbanken-Sektor, dessen milliardenschwere Altlasten ebenfalls mittels einer Bad Bank abgebaut werden müssen, zum Teil auf Kosten der Steuerzahler.

Mit der Neuaufstellung des Banken-Verbunds im Vorjahr ist die Volksbank Wien zur Zentralorganisation der Volksbanken geworden. Seit 1. Juni 2015 steht Gerald Fleischmann an ihrer Spitze und hat noch zahlreiche Fusionen vor sich. Am Ende des Prozesses soll 2017 ein Verbund aus acht Regionalbanken und zwei Spezialbanken stehen.


medianet: Sie stehen seit Juni 2015 an der Spitze der Volksbank Wien. Welchen Songtitel würden sie Ihrer bisherigen Amtszeit geben?
Gerald Fleischmann: ‚You can get it if you really want'! Der Songtitel von Jimmy Cliff ist schon fast so alt wie ich selbst, aber er sagt perfekt das aus, was wir in den letzten Monaten erreicht haben.

Viele der großen Fortschritte waren nur möglich, weil alle Volksbanken und ihre Mitarbeiter gemeinsam unbedingt dasselbe Ziel anstreben. Wir wollen ein solider, erfolgreicher österreichischer Bankenverbund sein. Mit der Aufspaltung der ÖVAG, den Beschlüssen über die Neustrukturierung des Verbunds, mit der Etablierung eines ehrgeizigen Fusionsplans, mit der Schaffung der Volksbank Wien als neuer Zentralorganisation und mit der Verbesserung der Eigenkapitalsituation haben wir schon wichtige Meilensteine umgesetzt.
Natürlich haben wir noch einige Aufgaben vor uns. ‚Rome was not built in a day ...' heißt es weiter in dem Song. Wir werden unsere Ziele erreichen, weil wir es wirklich wollen!

medianet: Nach der Fusion der meisten Volksbanken in Ostösterreich ist im Mitte 2015 die heutige Volksbank Wien entstanden. Was läuft jetzt anders, damit der Steuerzahler nicht eines Tages wieder mit einem Hilfspaket einspringen muss?
Fleischmann: Wir konzentrieren uns in Zukunft ausschließlich auf den ­ Markt und hier auf unsere Kerngeschäfte mit Privaten und Klein- und Mittelunternehmen. Dadurch gehen die Volksbanken nur sehr überschaubare Risiken ein.

Gleichzeitig steigt durch die Fusionen mittelfristig die Kompetenz und die Ertragssituation in den einzelnen Volksbanken. Und nicht zuletzt haben wir im gesamten Volksbanken-Verbund eine klare Risikostrategie und noch striktere Risikokontrollen eingeführt.
Regionale Banken, die sich auf das inländische Geschäft konzentrieren, haben auch in den vergangenen Krisen solide und ohne externe Hilfe gearbeitet. Und genau diesen Weg gehen wir mit unserer aktuellen Strategie.


medianet: Am 17. März gab es eine außerordentliche Hauptversammlung – gute oder schlechte Nachrichten?
Fleischmann: Gute Nachrichten, weil alle Beschlüsse einstimmig gefasst wurden. Man muss aber klar sagen, dass die entscheidenden Grundlagen dafür schon in den Vorjahren gelegt worden waren.

Bei den Beschlüssen am 17. März handelte es sich um Adaptierungen im Verbundvertrag und im Zusammenarbeits-Vertrag. Die gemäß der Bankenaufsicht vorhandenen Unschärfen der alten Versionen wurden damit jetzt bereinigt. Die klaren Spielregeln werden auch uns Volksbanken die Arbeit und die Zusammenarbeit erleichtern.


medianet: Wie geht es jetzt weiter? Es sollen 2016 ja noch weitere Volksbanken der Ostregion durch Fusionen zu Ihnen dazukommen.
Fleischmann: Insgesamt wird es Ende 2017 in Österreich acht regionale Volksbanken und zwei Spezialinstitute im Verbund geben. Die Volksbank Wien ist neben ihrer Funktion als Zentralorganisation schon jetzt die größte regionale Volksbank in Österreich.

Im Jahr 2016 sind noch vier weitere regionale Fusionen in Österreich geplant, damit wird die Volksbank Wien im Retailgeschäft ganz Wien, das ganze Burgenland und die Osthälfte von Niederösterreich abdecken.
Mit einem Einzugsgebiet von über 2,5 Millionen Einwohnern und einem Kundengeschäftsvolumen, also alle Einlagen, Kredite, Kundendepots, von über zehn Milliarden Euro besitzen wir eine ausgezeichnete Ausgangsbasis, um unsere Kunden optimal zu betreuen und ein weiteres Wachstum zu erreichen.


medianet: Wo sehen Sie als Zentralorganisation noch Handlungsbedarf in Österreich? Wo wird sich noch bei den Volksbanken etwas tun?
Fleischmann: Die wichtigsten Beschlüsse und Richtungsentscheidungen sind schon gefallen, jetzt steht eine konsequente und saubere Umsetzung an. 2016 und teilweise noch 2017 werden wir eine große Zahl von Fusionen bewältigen.

Darüber hinaus erarbeiten wir die Synergien, um sowohl die Kosten der Verwaltung zu senken als auch deren Qualität zu verbessern.
Im Fokus stehen bei allen Maßnahmen die Kunden. Durch interne Arbeitsteilungen und Effizienzprojekte werden zwar die Kosten gesenkt, noch wichtiger ist jedoch, dass sich unsere Berater in der Volksbank voll auf die Betreuung unserer Kunden konzentrieren ­können.

medianet: Im ländlichen Raum haben Sie es u.a. mit den Raiff­eisen-Banken und der Bawag PSK als Konkurrenten zu tun. Bleibt da langfristig noch Platz für einen dritten Player?
Fleischmann: Ohne auf konkrete Mitbewerber eingehen zu wollen, alle Banken bereinigen ihre Filialstruktur. Ich denke, an vielen Standorten werden wir in Zukunft eher weniger als mehr Mitbewerber haben. Aus Kundensicht ist der Wettbewerb sicher ein Vorteil, ich bin aber überzeugt, dass auch wir als Bank davon profitieren. Denn der Wettbewerb spornt uns an, ständig unsere Qualität und unsere Leistung zu verbessern. Und überdies müssen wir uns ja auch dem Trend der Digitalisierung stellen. Dort ist ja der Wettbewerb ortsunabhängig, da investieren wir derzeit sehr aktiv in eine Verbesserung unserer Angebote. Wenn es uns gelingt, eine hohe Beratungsqualität in unseren Filialen, eine vertrauensvolle persönliche Kundenbeziehung und ein gutes Online-Angebot zu kombinieren, dann werden wir im ländlichen und im städtischen Raum erfolgreich sein.

medianet: Andere Banken reduzieren ihr Kreditvolumen, um die Kapitalquoten einhalten zu können. Werden Ihre Kunden auch mit mehr Zurückhaltung rechnen müssen?
Fleischmann: Wir Volksbanken haben 2015 sehr intensiv an unseren Kapitalquoten gearbeitet, derzeit liegen wir bei einer guten Kernkapitalquote von 11,5 Prozent. Im heurigen Jahr setzen wir viele Maßnahmen zur Ertragsverbesserung um. Eine hohe Kernkapitalquote und eine solide Ertragskraft werden uns erlauben, unsere Kernaufgabe, die Finanzierung der Wirtschaft, sehr gut erfüllen zu können.

Wir gehen nicht ins Ausland und nicht an die internationalen Wertpapiermärkte, wir Volksbanken verwenden unser Eigenkapital für die Finanzierung der Privaten und der Unternehmen in Österreich.


medianet: Die easybank verkauft jetzt Strom und Gas; wäre das nicht auch für die Volksbanken reizvoll, in anderen Branchen zu ‚wildern'?
Fleischmann: Davon halte ich nicht viel. Ich denke, dass Unternehmen, die sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, langfristig erfolgreicher sind. Wir werden unsere Fokussierung auf unsere Kernaufgaben sogar noch weiter verstärken.

Die Volksbanken werden nur bei Krediten, Einlagen und im Zahlungsverkehr eigene Produkte anbieten, in anderen Geschäftsfeldern wie bei Wertpapieren und Versicherungen werden wir unsere Kunden mit den Produkten von erfolgreichen Spezialisten beraten.
Für die Kunden ist es wichtig, dass sie eine gute Beratung, gute Produkte und die für ihren individuellen Bedarf passenden Leistungen bekommen. Wir sind eine Bank, wir wollen an der Qualität unserer Bankdienstleistungen gemessen werden.

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