••• Von Reinhard Krémer
WIEN. Das Bankgeschäft war in den letzten Jahren in Europa – sagen wir – schwierig; manche Insider würden hier lieber das Wort „schmerzhaft” wählen.
Vor allem im Osten gab es wenig zu lachen: Striktere Kapitalvorschriften, ein hohes Ausmaß an regulatorischer Einflussnahme und das anhaltend ultra-niedrige Zinsumfeld machten die Sache nicht einfach. Dazu kam dann, wie zum Beispiel in Ungarn, die staatlich verordnete Zwangskonvertierung von Fremdwährungskrediten zu für die Banken desaströsen Kursen.
Merkbare Fortschritte
Doch in all dem Schatten zeigte sich schon letztes Jahr ein Lichtblick: „Obwohl 2015 ein weiteres schwieriges Jahr für die Bankenbranche in Zentral- und Osteuropa (CEE; Anm.) war, gab es doch auch merkbaren Fortschritt in den zentraleuropäischen und südosteuropäischen (CE/SEE; Anm.) Bankenmärkten, wo sich die Profitabilität einer Eigenkapitalrendite von zehn Prozent näherte”, meint Karl Sevelda, CEO der Raiffeisen Bank International AG (RBI). Zum ersten Mal, so Sevelda, überschritten die Aktiva in den CE/SEE-Bankenmärkten 2015 die 1.000 Mrd. €-Schwelle, was auch das Wachstumspotenzial der Region zeigt.
Wachstumsmöglichkeiten bleiben in den CEE-Bankenmärkten bestehen, ist man bei Raiffeisen International überzeugt. Kurzfristig erwartet man solides Wachstum in den CE/SEE-Märkten, mit einem baldigen Aufwärtstrend im Retail. Langfristig ist nominales Kreditwachstum zwischen rund 8 und 10% jährlich möglich. Der Ausblick der Giebelkreuzler für CE/SEE wird von breiteren Entwicklungen westlicher Banken unterstützt, wo das Deleveraging weitgehend abgeschlossen zu sein scheint.
Aktiva werden schlechter
Vor allem in Osteuropa zeigte sich eine spürbare Verschlechterung der Aktiva-Qualität. Die Ratio der NPL (Non-Performing-Loans; notleidende Kredite; Anm.) lag in Osteuropa zwischen rund 7 und 9%, in der Ukraine gar zwischen 20 und 40%. Für 2016 erwarten die Analysten von Raiffeisen Research weitere, moderate Verschlechterungen der NPL Ratio in den EE-Bankenmärkten, die hauptsächlich aus Russland und zu einem geringeren Ausmaß aus Belarus stammen werden. Das führte zwangsläufig zu einem Profitabilitätsrückgang und einer Eigenkapitalrendite (RoE; Anm.) von minus 0,1%. In Zentral- und Osteuropa (CEE; Anm.) lag diese bei rund 5%, in der Eurozone bei 6%.
Interessanterweise zeigt sich Leben am russischen Markt: „Führende westliche Banken wie etwa SocGen, UniCredit, RBI und Citi, haben ihr Engagement im Russlandgeschäft bekräftigt und 2015 sogar den Markt übertroffen”, sagt Elena Romanova von RBI/Raiffeisen Research. In einem günstigen Szenario hält sie sogar eine Eigenkapitalrendite von rund 12 bis 13% am russischen Markt noch immer möglich.
Eigenkapitalrendite wird besser
Insgesamt, so die Spezialisten von Raiffeisen international, lag die CEE-Eigenkapitalrendite unter 5%; 2014 waren es noch 6,9% gewesen. Zum Vergleich: In der Eurozone lag die Eigenkapitalrendite bei rund 6%.
Es kam vor allem in den EE-Bankenmärkten, inklusive Russland, zu einem substanziellen und breiten Rückgang der Profitabilität. 2015 lag die EE-Eigenkapitalrendite bei minus 0,1%.
Die gute Nachricht: Gleichzeitig gab es aber einen beachtlichen Fortschritt in CE/SEE mit einer Eigenkapitalrendite von 9,7%. Im Gegensatz zum Jahr 2014, als noch drei CE/SEE-Bankenmärkte negativ waren – nämlich Ungarn, Slowenien und Rumänien – schrieb 2015 nur Kroatien Verluste.
Außerdem verzeichneten 2015 fast alle CEE-Bankenmärkte solide Einlagen – in den meisten Fällen wurde dabei das Kreditwachstum sogar substanziell übertroffen. In der Folge verbesserte sich das Verhältnis von Krediten zu Einlagen (loan-to-deposit ratio, L/D-Verhältnis; Anm.) im gesamten CEE-Bankengeschäft weiterhin deutlich und erreichte einen mehrjährigen Tiefstand. Derzeit liegt das L/D-Verhältnis in CE und SEE bei 92 bzw. bei 86% – diese Niveaus waren seit 2005/06 nicht mehr erreicht worden.
Zu viel Liquidität in Russland
Ein interessantes Detail bildet die Entwicklung des Kreditgeschäfts in Russland; dort wiesen beide Kernsegmente, nämlich die Kreditvergaben in lokaler Währung und in Fremdwährung, ein L/D-Verhältnis von unter 100% aus, was die aktuelle Überliquidität und den Mangel an qualifizierter Kreditnachfrage widerspiegelt.
Die Konklusio der Raiffeisen-Experten: Für große Universalbank-Modelle sollte es derzeit in allen CEE-Bankenmärkten möglich sein, ein L/D-Verhältnis von weit unter 100% zu erzielen.