••• Von Reinhard Krémer
Sechs von zehn der 100 größten österreichischen Unternehmen haben sich umfassende Klimaschutzziele gesetzt. Das sind 23% mehr als im Vorjahr. Prozentual fast dreimal so stark hat die Anzahl der Unternehmen aus der Top-Liga, die Nettonullemissionen anstreben, zugenommen: von acht auf 13. Jedes fünfte Unternehmen – und damit über 50% mehr als im Jahr zuvor – reduziert seinen Treibhausgasausstoß ausreichend, um das Pariser 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Diese Ergebnisse zeitigt die Analyse „Wege zum Klimapfad: Wie Österreichs Wirtschaft beim Klimaschutz vorankommt” der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG).
„Unternehmenslenker stehen derzeit vor mannigfaltigen Herausforderungen”, sagt Manuela Waldner, BCG-Partnerin und Co-Autorin der Studie: „Die Spitzenreiter der österreichischen Wirtschaft sehen Klimaschutz allerdings nicht als zusätzliche Hürde, sondern als Chance, sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.”
Luft nach oben
„Es geht voran beim Klimaschutz in Österreich. Die Entwicklung könnte aber noch dynamischer sein, wie der Blick auf Europa zeigt”, sagt Roland Haslehner, BCG-Senior-Partner und ebenfalls Co-Autor der Studie.
2021 hatten sich 242 Unternehmen aus dem europäischen „High-Impact”-Sample des Carbon Disclosure Project zu „Science-based Targets”verpflichtet – 57% mehr als noch im Vorjahr.
Zudem ist ein Großteil der neu hinzugekommenen Klimaschutzziele in Österreich dem Bereich „CO2-neutral” beziehungsweise „klimaneutral” zuzuordnen – und damit nicht ausreichend. „Bei der Klimaneutralität werden entstandene Emissionen durch unterschiedliche Maßnahmen – wie beispielsweise Zahlungen – kompensiert. Aus diesem Grund ist nur das Ziel der Nettonullemissionen ein echter Hebel, um die Erderwärmung effizient zu stoppen. Nur dann wird tatsächlich weniger Treibhausgas ausgestoßen”, so Haslehner.
Krise als Momentum genutzt
Entscheider stehen vor zunehmend komplexen Herausforderungen – der drohende wirtschaftliche Abschwung, die steigende Inflation und eine insgesamt hohe Unsicherheit fordern neben dem Klimaschutz die Aufmerksamkeit der CEOs.
„Smarte Unternehmen und Staaten nutzen gerade die Krisenzeit als Momentum, um grüne Initiativen zu fördern und einen echten Wettbewerbsvorteil aufzubauen. Ein Beispiel dafür ist der US-Inflation Reduction Act (IRA)”, sagt der BCG-Senior-Partner.
Die im IRA gesetzten Anreize führten in den USA zu einer Verschiebung der Wettbewerbsfähigkeit von blauem hin zu grünem Wasserstoff und haben die Attraktivität unterschiedlicher Bezugsländer für grünen Wasserstoff global neu definiert.
„Es war nicht nur der richtige Schritt in eine nachhaltige Zukunft, sondern auch zum Erhalt der wirtschaftlich starken Stellung der USA – ein Exempel, in welche Richtung Anreizsysteme gehen sollten”, sagt Haslehner.
„Das Thema Klimaschutz muss Priorität auf höchster Unternehmensebene, aber auch bei staatlichen Institutionen haben”, sagt Manuela Waldner. Das bedeute nicht nur, dass Vorstände und Aufsichtsräte die Klimaagenda unterstützen und investitionsbereit sein sollten, sondern auch, dass Entscheidungen jetzt zügig getroffen und in konkrete Maßnahmen übersetzt werden müssten. Digitale Technologien ermöglichten ein konsistentes Datenmonitoring zu Nachhaltigkeitskennzahlen innerhalb des Unternehmens und entlang der gesamten Lieferkette.
Fördertöpfe ausschöpfen
„Unternehmen sollten zudem vorhandene Förderungen und Steuervorteile ausschöpfen und sich für weiterreichende regulatorische Rahmenbedingungen einsetzen, um den Klimapfad schneller beschreiten zu können. Dadurch können Umwelt- und Wirtschaftsziele ideal miteinander kombiniert werden”, hebt Waldner hervor.