Österreich als Standort in Gefahr
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Guter RatDer Produktivitätsrat unter Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt analysiert die langfristige Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und gibt Empfehlungen an die ­Regierung.
FINANCENET Redaktion 06.12.2024

Österreich als Standort in Gefahr

Die Wirtschaft kämpft mit hohen Energie- und Lohnkosten, Arbeitskräfteknappheit und massiven Versäumnissen.

WIEN. „Österreich steht am Scheideweg: Steigende Arbeits- und Energiekosten belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure und zusätzlich hemmt der Arbeitskräftemangel das Wachstum. Die Einkommen sind in Österreich zwar hoch, doch nicht alle Bevölkerungsgruppen profitieren davon und das Ausmaß der absoluten Armut ist zuletzt gestiegen. Die grüne Transformation und die Digitalisierung erfordern massive Investitionen, die durch die Rezession und eine angespannte budgetäre Lage erschwert werden”, fasst Christoph Badelt, Vorsitzender des Produktivitätsrates, den Status Quo zusammen.

Er fordert „innovative Lösungen und eine neue Ausrichtung der Wirtschaftspolitik”, um Reformstaus zu beseitigen und Österreich fit für die Zukunft zu machen. Der Einsatz fortschrittlicher digitaler Technologien kann die Produktivität stark verbessern, doch Österreich liegt im internationalen Vergleich in wichtigen Bereichen zurück.

Fachkräftemangel

Ein Grund dafür ist der Mangel an IT-Fachkräften. Außerdem ist die Breitbandabdeckung unterdurchschnittlich und vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) nutzen fortschrittliche Technologien vergleichsweise selten.

Hohe Anfangsinvestitionen stellen für kleine Unternehmen eine Hürde dar und erschweren bei diesen die Anwendung neuerer Technologien. Angesichts des immer schnelleren technischen Wandels im Bereich der digitalen Spitzentechnologien muss Österreich dringend handeln, um frühere Versäumnisse aufzuholen.
Der Produktivitätsrat empfiehlt eine umfassende Digitalisierungsoffensive. Dazu gehören ein schnellerer Ausbau des Breitbandnetzes, Maßnahmen zur Beseitigung von Kostennachteilen der KMUs bei der Nutzung digitaler Technologien, die weitere Digitalisierung und Entbürokratisierung von Unternehmensgründungen sowie ein umfassender Ansatz zur Stärkung digitaler Kompetenzen im Rahmen des Bildungssystems aber auch in den Unternehmen.

Arbeitskräfte mobilisieren

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird durch die demografische Entwicklung bis 2060 stark zurückgehen.

Modell-Simulationen des Produktivitätsrates zeigen, dass sich das Wirtschaftswachstum durch die schrumpfende Erwerbsbevölkerung erheblich verlangsamt, sofern das Produktivitätswachstum nicht deutlich zunimmt. Dies ist jedoch angesichts des langfristigen Wachstumstrends der Arbeitsproduktivität unwahrscheinlich. Eine Mobilisierung des Arbeitskräftepotenzials ist daher notwendig, um die langfristige Verlangsamung des Wirtschaftswachstums einzudämmen.

Erneuerbare rasch ausbauen

Nach einer kurzen Phase der Entspannung steigen die Energiepreise aktuell wieder an. Besonders die Preise für Strom und Gas sorgen für große Schwankungen.

Sie sind in Österreich stärker aneinander gekoppelt als in vielen anderen EU-Ländern. In der Industrie sind die Energiepreise in den letzten Jahren stark gestiegen und belasten nun die Wettbewerbsfähigkeit in wichtigen Branchen wie dem Fahrzeugbau.
Gleichzeitig sind die Lohnkosten gestiegen. Das erhöht den Kostendruck auf die Unternehmen weiter. Der Produktivitätsrat empfiehlt die Beschleunigung des Ausbaus von erneuerbaren Energien und der Energieinfrastruktur zur langfristigen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Der Produktivitätsrat empfiehlt ebenso Maßnahmen, die allen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen ermöglichen. Nötig sind einheitliche Qualitätsstandards und ausreichende Ressourcen für alle Bildungsbereiche. (rk)

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