••• Von Reinhard Krémer
WIEN. Was viele sehnsüchtig erwartet hatten, steht jetzt vor der Tür. Nein, gemeint sind hier nicht die Lockerungen und Badewetter, sondern der konjunkturelle Aufschwung. Denn der heimische Konjunktur-Sommer sollte stärker ausfallen als in der Eurozone, nicht jedoch das Wachstum im Gesamtjahr 2021 (3,5%), für das die Rezession im Winterhalbjahr 2020/21 eine Hypothek darstellt, meint Raiffeisen Research-Experte Matthias Reith: „An die abermalige Rezession im Winterhalbjahr dürfte sich im zweiten und dritten Quartal eine stabile konjunkturelle Schönwetterphase anschließen.”
„Wir erwarten in beiden Quartalen Zuwachsraten des realen BIP von jeweils etwa drei Prozent p.q. Vorbote dieses konjunkturellen Wetterumschwungs ist die spätestens seit März zu beobachtende sektoral breit getragene Verbesserung der Stimmungsindikatoren, die nicht nur das Industrievertrauen, sondern auch die besonders von Shutdown/Lockdown-Maßnahmen betroffenen Dienstleistungsbranchen erfasst hat”, so Reith. Im Gegensatz zum dritten Quartal des Vorjahres sollte der konjunkturelle Sommer-Aufschwung aber im Wesentlichen ein Tourismus-Aufschwung (Hotellerie/Gastronomie) sein.
Stützen der Konjunktur
Industrie und Bau haben im Winterhalbjahr, anders als im Frühjahr 2020, nicht als Bleigewichte, sondern vielmehr als Stützen der Konjunktur fungiert (Hauptgrund für den geringeren BIP-Rückgang infolge der 2./3. Lockdown-Welle; Anm.) und das Vor-Corona-Produktionsniveau bereits wieder erreicht, sagt der Raiffeisen-Experte: „Zwar dürften Industrie und Bau auch in den kommenden Monaten für positive Konjunkturimpulse sorgen, ein ‚Nachholbedarf' wie im Nachgang des ersten Lockdowns besteht aber nicht.”
Stärker aufwärts
Die Aufwärtsbewegung in der Hotellerie und Gastronomie dürfte dafür sogar noch deutlicher ausfallen als im Sommer des Vorjahres: „Immerhin ist die Wertschöpfung in diesem Sektor im Winterhalbjahr angesichts der komplett weggefallenen Wintersaison um 80 Prozent eingebrochen und damit um mehr als während des ersten Shutdown/Lockdown vor einem Jahr (Q1/Q2 20: –61%; Anm.), als nur ein Teil des Wintergeschäfts und der weniger relevante Mai betroffen waren”, sagt Reith.
Selbst wenn in der Hotellerie und Gastronomie in den kommenden Monaten „nur” das Wertschöpfungsniveau des Corona-Sommers 2020 erreicht wird, würde diese Branche im zweiten und dritten Quartal Zuwachsraten von 50–100% pro Quartal verzeichnen, was einem nennenswerten Impuls für die gesamte Konjunktur von jeweils etwa zwei bis vier Prozentpunkten gleichkäme.
Ausländische Gäste stützen
„Die Chancen stehen dabei gut, dass die Wertschöpfung in den kommenden Monaten höher ausfällt als vor einem Jahr, immerhin dürften ausländische Gäste wieder eine stärkere Rolle spielen”, sagt Matthias Reith.
Zwar hat sich unter dem Eindruck des Impffortschritts sowie der vollzogenen allgemeinen Lockerungen der Blick auf den absehbaren Konjunktur-Rebound im zweiten und dritten Quartal aufgehellt.
3,5 Prozent sind der Boden
Die in den letzten Wochen veröffentlichten Prognosen sind diesbezüglich optimistischer als noch im Herbst und Winter, so der Raiffeisen-Research-Mann: „Wir sehen uns damit in unseren seit geraumer Zeit geäußerten Projektionen für das reale BIP-Wachstum 2021 und 2022 bestätigt. Unsere BIP-Schätzung 2021 von 3,5 Prozent sehen wir tendenziell sogar als Untergrenze. Denn auch heuer gilt: Je tiefer der konjunkturelle Fall, desto stärker die nachfolgende Erholung, was eine der zentralen Lehren des Corona-Jahres 2020 darstellt.”
Längeres Schönwetter kommt
Zwar wird sich die konjunkturelle Dynamik nach dem markanten Anstieg im zweiten und dritten Quartal wieder abschwächen, meint Reith: „Grundsätzlich sollte sich die konjunkturelle Schönwetterperiode aber als länger anhaltende und stabile Hochdruckphase herausstellen. Wir rechnen bis ins Jahr 2023 hinein mit überdurchschnittlichen BIP-Zuwachsraten, sodass die Konjunktur Anfang 2022 zunächst das Vor-Corona BIP-Niveau (Q4 2019; Anm.) und Ende 2023 schließlich den Wachstumspfad erreicht, den sie ohne die Pandemie beschritten hätte und damit Corona aus konjunktureller Sicht vergessen macht.”
Die Corona-Rezession dürfte sich somit als Unterbrechung und nicht als Abbruch des langfristigen Wachstumstrends erweisen: „Einen strukturell niedrigeren Wachstumspfad als ‚Spätfolge' der Pandemie sehen wir nicht”, so Raiffeisen-Research-Mann Matthias Reith.
Entwarnung gibts bei der Inflation: Die Inflationsrate sollte zwar für den Rest des Jahres erhöht bleiben (>2,5% p.a; Anm.), die meisten der preistreibenden Effekte sollten jedoch wieder abflauen.