Retail-Banking: ein zartes Pflänzchen
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Disziplin, Ausdauer und Einfallsreichtum: Damit könnte das zarte Pflänzchen „Entspannung beim Retail-Banking” prosperieren.
FINANCENET Helga Krémer 24.06.2016

Retail-Banking: ein zartes Pflänzchen

Das Privatkundengeschäft erholt sich – langsam, aber doch. Speziell in Österreich machen die Ausgaben Kopfzerbrechen.

••• Von Helga Krémer

WIEN. Der seit 2007 jährlich erscheinende „Retail Banking Radar” der Managementberatung A.T. ­Kearney ist da: Das Ergebnis aus österreichischer Sicht ist – im besten Fall – durchwachsen.

Für diese Studienreihe wird die Performance europäischer Retailbanken untersucht, für die aktuelle wurden die Daten von fast 100 Privatkundenbanken und Bankengruppen in 22 europäischen Ländern hinsichtlich der Kriterien Ertrag pro Kunde und Mitarbeiter, Gewinn pro Kunde, Kreditrisikovorsorgequote sowie Cost-Income-Ratio analysiert. (Cost-Income-Ratio bemisst das Verhältnis Aufwand zum Ertrag und zeigt damit die Effizienz eines Instituts, Anm.)

Österreich gibt zu viel aus

Was heißt das nun in der Praxis? „Die Situation der europäischen Banken für Privatkunden entspannt sich langsam, wenngleich die meisten Institute, besonders die österreichischen, ihre Ausgaben nicht in den Griff bekommen haben”, sagt Daniela Chikova, Partnerin Financial Services bei A.T. Kearney Österreich und Co-Autorin der Studienreihe. Für die Retail-Banking-Expertin besonders gravierend: Österreichs Banken haben seit 2009 fast durchgehend die schlechteste Cost-Income-Ratio in Europa und konnten ihre Kostenstruktur bereits das siebente mal in Folge nur marginal verbessern.

Das Resultat der österreichischen Retailbanken ist, wie gesagt, durchwachsen: Während die Ertragsentwicklung leicht positiv ist, stagniert der Ertrag pro Kunde mit fast 100 € unter dem europäischen Durchschnitt von 666 €. Die Risiken in den Büchern der heimischen Privatkundenbanken sind 2015 weiter gesunken und damit hat sich Österreich unter den Top 5-Ländern in Europa eingereiht. Im Gegensatz dazu stagnieren die österreichischen Institute in puncto Effizienz und bleiben mit 71% Cost-Income-Ratio vor Deutschland Schlusslicht im europäischen Vergleich. „Österreichische Banken haben es nicht geschafft, ihre Geschäftsmodelle und Kostenstruktur umzubauen, während die europäischen Champions bei Wachstum, Kosten und digitaler Transformation davonzogen”, erklärt Chikova.
Eine einzige österreichische Bank ist unter den Ertrags-Champions vertreten: Die Bawag PSK ist zusammen mit der ebenfalls in Österreich tätigen ING-DiBa unter den Top 10-Instituten platziert – beide konnten zwischen 2010 und 2015 durchgängig ein Wachstum im zweistelligen Bereich verbuchen, haben sich konsequent auf den Kundenbedarf konzentriert und sind Pioniere beim „frictionless Banking”.

Der Norden ist am besten

Insgesamt konnten europäische Institute zwar ihre Gewinne steigern; mit einem leichten Ertragswachstum, kombiniert mit rückläufiger Risikovorsorge, ihre Kosten zu reduzieren, hätten sie aber nicht geschafft.

Die Studie zeigt starke Unterschiede zwischen den Regionen: Die skandinavischen Länder und die Schweiz bleiben Spitzenreiter beim Ertrag pro Kunde – dank ihrer stabilen Wirtschaft und weil sie die ausgeprägte digitale Affinität ihrer Kunden für sich zu nutzen wissen. Die südeuropäischen Banken haben kraft drastischer Kostenkürzungen, Abbau von Filialen und Digitalisierung von Geschäftsprozessen den Sprung zurück in die Gewinnzone geschafft. Die osteuropäischen Privatkundenbanken kämpfen dagegen weiterhin mit Risikovorsorge-Ausgaben auf ­hohem Niveau.
In Westeuropa hat z. B. ein kleines Land wie die Niederlande Deutschland und Frankreich überholt – durch positive Ertragsentwicklung, deutlich gestiegenen ­Ertrag je Mitarbeiter und aufgrund einer guten Cost-Income-Ratio.

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