Rot-weiß-rote Geldgeber öffnen ihre Geldbörsen
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FINANCENET Redaktion 17.02.2023

Rot-weiß-rote Geldgeber öffnen ihre Geldbörsen

Der Großteil der Start-up-Finanzierungen wurde im Vorjahr von heimischen Investoren gestemmt.

••• Von Reinhard Krémer

Österreichische Investoren waren im vergangenen Jahr sehr aktiv: Sie waren an drei Viertel (75%) der Finanzierungsrunden bei Start-ups beteiligt – 2021 war das nur bei knapp mehr als der Hälfte der Runden (55%) der Fall.

Wurde 2021 noch ein Drittel (32%) der Runden ausschließlich von heimischen Investoren getragen, war es 2022 sogar knapp jede zweite Runde (48%). Nur jeder siebte Deal wurde 2022 ausschließlich von ausländischen Investorengruppen getragen – darunter aber auch die zwei größten Finanzierungsrunden des Jahres für GoStudent (300 Mio. €) und TTTech (250 Mio. €).
Dementsprechend dominieren beim Finanzierungsvolumen auch nach wie vor eindeutig ausländische Geldgeber: Mehr als zwei Drittel (68%) des Risikokapitals – und damit nur knapp weniger als 2021 (75%) – kommen von rein ausländisch besetzten Investorengruppen.

Boom ist zu Ende – vorläufig

Das sind die Ergebnisse des Start-up Investment Barometers der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY in Zusammenarbeit mit der Austrian Angel Investors Association (AAIA) und der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO). Berücksichtigt wurden veröffentlichte Finanzierungsrunden in Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.

„Weltweit ist die Goldgräberstimmung des Boom-Jahres 2021 der Zurückhaltung gewichen. Viele Geldgeber verhalten sich abwartend und halten sich mit Finanzierungen in Start-ups und Scale-ups zurück. Besonders deutlich hat sich das im zweiten Halbjahr gezeigt: Die Investmentaktivitäten sind in den letzten Wochen deutlich zurückgegangen – ein Vorgeschmack auf die nächste Zeit, in der es für Start-ups und Scale-ups sehr schwierig wird, Finanzierungsrunden abzuschließen”, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

Wachsen mit Geld aus Ausland

„Ein positiver Befund des Jahres 2022 ist die steigende Aktivität von österreichischen Investoren, die sich an deutlich mehr Finanzierungsrunden beteiligt haben als im Vorjahr. Gleich geblieben ist allerdings, dass der Großteil des Finanzierungsvolumens ausschließlich von ausländischen Geldgebern gestemmt wird. Auch wenn die Abhängigkeit in der Breite etwas weniger geworden ist, müssen österreichische Scale-ups auf ihrem Wachstumskurs früher oder später das Kapital für ihre Skalierung jenseits der Landesgrenzen lukrieren”, so Haas.

„Große” stehen auf Bremse

„Nachdem gerade diese großen, international tätigen Risikokapitalgeber aktuell auf der Bremse stehen, braucht es dringend staatlich gesteuerte Anreize für Investitionen in Start-ups durch institutionelle und private Geldgeber, um eine liquiditätsbedingte Vollbremsung von zukünftigen ‚Global Champions made in Austria' zu verhindern”, sagt der EY-Experte. Bei frühphasigen Investmentrunden sind dementsprechend auch klar heimische Investorengruppen führend: Erstmals dominieren nicht nur im Pre-Seed-Bereich (2022: 75%, 2021: 78%), sondern auch in der Seed-Phase (2022: 65%, 2021: 45%) Kapitalgeber mit Sitz in Österreich. Mit Anstieg der Runde sinkt der Anteil an heimischen Investoren weiter: Bei Series-A-Finanzierungsrunden liegt der Anteil bei der Hälfte (51%), bei Series-B-Finanzierungsrunden nur bei zehn Prozent.

100 Millionen-Euro-Decke

An keiner der zwei großen Finanzierungsrunden in der Größenordnung von mehr als 100 Mio. € war ein Inlandsinvestor beteiligt. Auch bei den drei Abschlüssen im Umfang zwischen 50 und 100 Mio. € lag der Anteil österreichischer Investoren mit 24% niedrig. Lediglich bei kleineren Finanzierungsrunden im Umfang von bis zu einer Mio. Euro waren mehrheitlich österreichische Geldgeber beteiligt. So hatten hier 116 der 147 registrierten Investoren ihren Hauptsitz in Österreich (79%). Immerhin: An der Hälfte der zehn größten Finanzierungsrunden des Jahres gab es eine österreichische Beteiligung auf Investorenseite.

Deutsche mögen Österreich

Im Detail waren am zweithäufigsten Investoren mit Hauptsitz in Deutschland vertreten (44); es folgen Investoren aus Großbritannien (22) vor Investoren aus den USA (18).

Insgesamt waren Investoren aus 27 Ländern (inklusive Österreich) an den verzeichneten Finanzierungsrunden beteiligt. Österreichische Geldgeber investieren in Hardware und Media. Am größten war der Anteil an heimischen Investorengruppen bei Finanzierungsrunden 2022 wie schon 2021 im Bereich Hardware, wo 92% der hier bei den sieben Finanzierungsrunden beteiligten namentlich bekannten Investoren aus Österreich stammen.
Knapp dahinter folgt Media & Entertainment mit 91% österreichischen Investorengruppen sowie der HR- und Recruitmentbereich mit 88%. Am niedrigsten war 2022 der Anteil der Inlandsinvestoren in den Bereichen Mobility (45%) und AgTech (43%).

Liquiditätsengpässe drücken

„Nach dem Hype im ersten Halbjahr 2022 mussten viele heimische Investoren im zweiten Halbjahr vorwiegend ihr eigenes Portfolio unterstützen, um Liquiditätsengpässen entgegenzuwirken. Dies spiegelte sich auch auf der Gegenseite wider, da einige Start-ups es folglich nicht geschafft haben, eine ausreichende Finanzierung aufzustellen und Konkurs anmelden mussten. Aktuell kämpfen Investoren zudem mit Verlusten in anderen Asset-Klassen und werden 2023 deutlich weniger investieren können”, sagt Laura Egg, stellv. Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association (AAIA).

„Um die Aktivität von privaten Investoren weiterhin aufrechterhalten zu können, wäre die rasche Einführung von Incentivierungsmaßnahmen, wie steuerliche Erleichterungen, essenziell. Im EU-Vergleich hinkt der heimische Wirtschaftsstandort hier klar hinterher – eine Tatsache, die sich vor allem in den Investmentaktivitäten 2023 zeigen wird”, so Egg.

Den Anschluss nicht verlieren

Nina Wöss, Vorstandsvorsitzende der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO), ergänzt: „Das EY Start-up Investment Barometer zeigt, dass es Österreich nicht an spannenden Investment-Targets und Frühphaseninvestoren mangelt. So weit, so gut. Dieser Fakt ist inzwischen hinlänglich bekannt und spricht für die Qualität der Start-up-Landschaft. Weitgehend unverändert ist die Situation bei den Wachstumsfinanzierungen. Wachstumsorientiere Tech-Unternehmen sind mangels heimischer Alternativen quasi gezwungen, sich international nach Geldgebern umzusehen. Dieses Thema ist seit Jahren bekannt und, unter anderem, den fehlenden Rahmenbedingungen für Investoren geschuldet. Wenn Österreich den Anschluss an die europäischen Nachbarn hier nicht verlieren will, ist es für politische Entscheidungsträger längst überfällig, tätig zu werden.”

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