••• Von Reinhard Krémer
Trotz des schwierigen internationalen Umfelds dürfte sich die Konjunktur in den meisten Volkswirtschaften Mittel-, Ost- und Südosteuropas 2024 gut entwickeln – vor allem in den EU-Mitgliedern.
Große Abwärtsrisiken bleiben jedoch bestehen. Das zeigt die neue Frühjahrsprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für 23 Länder der Region. „Angesichts steigender Reallöhne, vor allem aufgrund einer stark rückläufigen Inflation, ist der private Konsum die Hauptstütze des Wachstums”, sagt Olga Pindyuk, Ökonomin am wiiw und Hauptautorin der Frühjahrsprognose.
„Die Investitionstätigkeit wird sich erst allmählich erholen. In der Industrie – vor allem in den mit der schwächelnden deutschen Wirtschaft eng verflochtenen Visegrád-Staaten – sehen wir aber nach wie vor Probleme”, konstatiert Pindyuk. „Der erhofften Erholung der für die Region so wichtigen deutschen Wirtschaft ab 2025 kommt natürlich eine Schlüsselrolle zu.”
Die Rückkehr des Wachstums
Für 2024 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein Wachstum von durchschnittlich 2,5%, das 2025 auf drei Prozent anziehen sollte. Damit dürften sie die heuer beinahe stagnierende Eurozone (0,6%) wieder deutlich überflügeln und auch im nächsten Jahr fast doppelt so stark wachsen wie diese (1,6%).
„Die ostmitteleuropäischen EU-Mitglieder setzen damit auch 20 Jahre nach Beginn der EU-Osterweiterung ihren ökonomischen Aufholprozess wieder fort, auch wenn sich dieser ab 2025 etwas verlangsamen wird”, so Pindyuk. Die Visegrád-Länder Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn werden heuer mit im Durchschnitt 2,4% expandieren und ihr Wachstum 2025 auf 3,0% steigern können.
Polen und Ungarn haben aufgrund aktueller Entwicklungen (neue Regierung in Polen, Viktor Orbáns Ukraine-Deal mit der EU) zwar wieder verstärkt Zugriff auf EU-Gelder, allerdings fließen die Mittel im Falle Polens nur zäh und bleiben im Falle Ungarns zum Großteil weiterhin blockiert.
EU-Corona-Gelder stützen
Die südosteuropäischen EU-Mitglieder Rumänien (3,0%) und Kroatien (2,9%) dürften 2024 besonders stark wachsen. Dort stützen nicht zuletzt Mittelzuflüsse aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGeneration EU die Konjunktur.
Die sechs Staaten am Westbalkan werden im Schnitt um drei Prozent expandieren, die Türkei um 3,4%. Die leichte Erholung der kriegsgeplagten Ukraine sollte sich mit 3,2% BIP-Wachstum fortsetzen. Die schwierige militärische Situation und die Verzögerungen bei der weiteren Finanz- und Militärhilfe durch den Westen dämpfen jedoch die Wirtschaftsentwicklung.
Überhitzungserscheinungen
Bei Aggressor Russland dürfte sich das im vergangenen Jahr starke Wachstum der Kriegswirtschaft (3,6%) auf heuer 2,8% etwas abschwächen, da deutliche Überhitzungserscheinungen zu verzeichnen sind. Für die Prognose bestehen allerdings erhebliche Abwärtsrisiken. „Ein großer Krieg im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran würde wohl zu einem neuerlichen Energiepreisschock führen und die Inflation wieder befeuern”, warnt Pindyuk.
Die orange Gefahr aus den USA
„Eine zu schwache Erholung in Deutschland, Störungen der globalen Lieferketten und die Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten könnten die Region ebenfalls in Turbulenzen bringen”, so Pindyuk. Vor allem für die Ukraine wirft ein möglicher Wahlsieg Trumps bereits seine Schatten voraus.
Obwohl das Land seit Beginn der russischen Invasion eine erstaunliche Resilienz an den Tag gelegt hat, bremsen die anhaltende Unsicherheit und die Verzögerungen bei der westlichen Militär- und Wirtschaftshilfe die Erholung.
Blockaden treffen Ukraine
Nach 5,3% Wachstum im vergangenen Jahr prognostiziert das wiiw der Ukraine heuer ein Wachstum von 3,2%.
Trotz wirtschaftlicher Erfolge wie der Wiedereröffnung des Schwarzmeer-Korridors für den Export landwirtschaftlicher und metallurgischer Produkte, der eine Lebensader für die Ukraine darstellt, litt das Land auch unter der Grenzblockade polnischer Landwirte.
2023 reduzierten sich die Warenexporte nach Polen um rund ein Drittel. Dazu kommen die in letzter Zeit wieder massiven russischen Luftangriffe. „Das Fehlen von Flugabwehrraketen wird immer mehr auch zu einem ökonomischen Problem, weil die Energieversorgung und wichtige Industriebetriebe immer öfter getroffen werden”, beklagt Pindyuk.
„Letztlich steht und fällt alles mit ausreichender und rechtzeitiger Militär- und Finanzhilfe durch den Westen – allein 2024 klafft in der Ukraine eine Finanzierungslücke von 40 Milliarden US-Dollar”, so die wiiw-Expertin.
Turbo für unsere Wirtschaft
Positiv für Österreichs Wirtschaft dürfte sich der wieder anspringende Konjunkturmotor in Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei auswirken.
Mit einem Wachstum von im Durchschnitt 2,4% werden die Visegrád-Staaten damit wieder eine wichtige Stütze für die heimische Konjunktur darstellen, umso mehr, als die heimische Nachfrage 2024 praktisch stagnieren dürfte. Selbiges gilt auch für Rumänien und Kroatien, die mit drei Prozent respektive 2,9% in diesem Jahr vergleichsweise stark wachsen und wirtschaftlich eng mit Österreich verflochten sind, heißt es vom wiiw.