Unabhängigkeit und überholte Klischees
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FINANCENET Redaktion 08.03.2024

Unabhängigkeit und überholte Klischees

Erste-Studie zum Weltfrauentag zeigt Spannungsbogen der Finanzsituation österreichischer Frauen.

••• Von Reinhard Krémer

Eines ist allen Österreichern gemein: Die Bedeutung der finanziellen Unabhängigkeit. Die ist 94% der Befragten, ob Mann oder Frau, wichtig. Dass Frauen allerdings mit völlig anderen Rahmenbedingungen arbeiten, zeigen Zahlen der Statistik Austria. Im Jahr 2021 lag der Gender Pay Gap bei 18,8%, eine Verbesserung von 0,1 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr – zu wenig, wenn man Gerda Holzinger-Burgstaller, Vorstandsvorsitzende der Erste Bank Oesterreich, fragt: „Dass es in Sachen Geschlechterparität dermaßen langsam vorangeht, macht deutlich, dass Frauen keine Zeit zu verlieren haben und ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen müssen.”

Zusätzlich leisten Frauen 40% mehr an unbezahlter Care-Arbeit. Die Folge: Der Gender Pension Gap lag 2022 bei 41,1% (2021: 41,6%). Wenig verwunderlich, dass Frauen deshalb 50% häufiger von Altersarmut betroffen sind als Männer.

Altersvorsorge aktiv angehen

„Deshalb ist es so wichtig, die Altersvorsorge pro-aktiv anzugehen und aktiv etwas für sein späteres Ich zu tun”, sagt Stefanie Christina Huber, Präsidentin des Österreichischen Sparkassenverbandes. Die Frage nach dem durchschnittlichen frei verfügbaren Einkommen nach Abzug aller Fixkosten bestätigt das oben gezeichnete Bild: Liegen Männer (758 €) und Frauen (725 €) in der jüngeren Altersgruppe bis 30 noch vergleichsweise eng beieinander, geht anschließend die „Einkommensschere” auseinander. So bleiben Männern in der Altersgruppe der 30 bis 49-Jährigen monatlich 996 € zur freien Verfügung übrig, Frauen lediglich 631 € – das sind 37% weniger. In der Altersgruppe der 50- bis 69-Jährigen zeigt sich die Entwicklung noch deutlicher. Hier haben Männer mit 839 € weiterhin deutlich mehr zur freien Verfügung als Frauen mit 617 €.

Gender-Gap beim Einkommen

Die Auswirkungen dieser Einkommensentwicklung schlagen sich beim Thema Sparen und Vorsorge nieder. Sorgen bei den unter 30-Jährigen noch mehr Frauen (31%) als Männer (19%) für das Alter mit einer Pensionsvorsorge vor, ändert sich dieses Verhältnis bei den 30- bis 49-Jährigen eklatant. Hier sorgen deutlich mehr Männer (44%) vor, während die Zahl der Frauen mit 29% sogar sinkt.

„Der Gedanke, selbst für die Pension vorzusorgen, ist bei Frauen über alle Altersgruppen konstant präsent. Männer befassen sich dagegen erst damit, wenn sie monatlich mehr übrig haben”, so Huber. Dementsprechend überrascht es nicht, dass Frauen der Pension pessimistisch entgegenblicken.
Nur 29% bei den unter 30-Jährigen und 27% zwischen 30 und 49 Jahren fühlen sich gut für das Alter abgesichert. Zum Vergleich: Bei den Männern sind es 52, respektive 47%.

Echos von ganz früher

Zusätzlich erschwerend wirkt, dass das Finanzleben vieler Österreicherinnen noch immer von Rollenbildern früherer Zeiten geprägt ist. Danach gefragt, bei welchem Geschlecht sie die Verantwortung für die Erledigung von Dingen des alltäglichen Bedarfs sehen, geben 70% der Befragten an, diese seien Frauensache, nur vier Prozent sehen diese Aufgabe als Männersache an. Auch die Gelderziehung wird in der Hand der Frauen (43%) und weniger bei den Männern (zehn Prozent) gesehen. Umgekehrt, wenn auch weniger deutlich, wird das Thema Vorsorge, Veranlagen und Sparen eher als Männersache (33% im Vergleich zu 17%) wahrgenommen.

Was nicht Frauensache ist

Die Themen Versicherungen (46%), Mobilität (58%) und Finanzierungen (52%) werden laut den befragten Österreichern und Österreicherinnen deutlicher bei Männern als Frauen (elf bzw. vier bzw. fünf Prozent) gesehen.

Diese klare Rollenverteilung hat auch Auswirkungen auf das Sparverhalten der Österreicher und Österreicherinnen: Während das Sparkonto bei Frauen (63%) und Männern (61%) gleichermaßen beliebt ist, nutzen deutlich mehr Männer (45%) alternative Veranlagungsformen, wie beispielsweise Wertpapiere, zum Ansparen als Frauen (30%) dies tun.
Auch andere Veranlagungsformen wie Gold (19 zu 13%) oder Kryptowährungen (elf zu vier Prozent) sind bei Männern gefragter. „Auch hier spielt die Einkommensdifferenz eine Rolle. Wer mehr zur Verfügung hat, kann diversifizierter veranlagen”, so Holzinger-Burgstaller.
Männer (22%) erachten im Vergleich zu Frauen (sechs Prozent) das Thema „Wertpapiere” als eher spannend . Ebenso stimmen signifikant mehr Männer (23%) der Aussage zu, dass Wertpapiere „alternativlos sind, wenn man sein Geld gewinnbringend anlegen will”, als Frauen (acht Prozent) dies tun.

Kleinvieh macht auch Mist

Aber: Unabhängig vom Geschlecht sind acht von zehn Österreichern und Österreicherinnen der Meinung, dass das Ansparen in Wertpapieren schon mit kleinen Beträgen Sinn macht. „Das ist eine positive Entwicklung. Geld beiseitezulegen und für die Zukunft vorzusorgen, ist immer sinnvoll, auch mit kleinen Beträgen. Deshalb gilt es, das finanzielle Selbstvertrauen der Frauen zu stärken und die Vorteile alternativer Veranlagungsstrategien aufzuzeigen, wo auch mit kleineren Beträgen ein langfristiger Vermögensaufbau erzielt werden kann”, sagt die Erste Bank Oestereich-CEO.

Nicht nur bei alternativen Veranlagungsformen, auch beim Thema Finanzen als Ganzes zeigen sich Frauen (22%) weniger interessiert als Männer (45%). Dementsprechend weniger gut kennen sich Frauen (13%, Männer 35%) bei Finanzthemen aus.

Männerdominierte Branche

Für Huber ist das eine Thematik mit langer Geschichte: „Durch eine männerdominierte Finanzbranche in der Vergangenheit waren viele der Inhalte auf Männer ausgerichtet.” Die Zahlen der Umfrage bestätigen das, denn während Frauen in Sachen Finanzen auf den persönlichen Kontakt setzen (81%), bevorzugen Männer Websites, Zeitungen oder Zeitschriften (68%). „Nicht nur die Beratung, auch die Finanzbildung muss persönlicher werden.”

Von Frauen für Frauen

Der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit ist für Frauen ein steiniger, das bleibt auch 2024 so. Dennoch scheint das Bewusstsein, die Finanzen in die eigene Hand zu nehmen, gestiegen zu sein, so Gerda Holzinger-Burgstaller: „Der Durst nach Finanzbildung, unabhängig vom Geschlecht, ist ungestillt. Wir müssen die Inhalte für Frauen interessanter machen und in ‚Safe Spaces' aufbereiten. Mit ‚she invests' haben wir eine Initiative geschaffen, die genau das tut.” Seit deren Start im September 2022 konnten bereits rund 45.000 Frauen mit Themen wie Budgetierung, Sparen oder Veranlagung und Vorsorge von internen und externen Expertinnen erreicht werden.

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