Weltweites BIP vom Quickstep zum Slowfox
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FINANCENET reinhard krémer 10.05.2019

Weltweites BIP vom Quickstep zum Slowfox

Das globale Handelskonzert spielt heuer nach den flotten Klängen der letzten Jahre einen langsameren Tanz.

••• Von Reinhard Krémer

Das globale Handelskonzert wird heuer nach dem flotten Quickstep der letzten Jahre einen Slowfox intonieren: „Der Welthandel verlangsamt sich”, sagt Michael Tawrowsky, Country Manager Coface Österreich, zur aktuellen Coface-Studie über Branchen- und Länderrisiken.

Die Coface-Prognose sieht den Anstieg des Welthandels nur mehr bei 2,3%; im vergangenen Jahr waren es noch 3%. „Das globale BIP-Wachstum wird voraussichtlich das niedrigste seit 2016 sein. Unsere Prognose liegt bei +2,9%. Das sind minus 0,3 Punkte gegenüber 2018”, erläutert Tawrowsky.

Insolvenzen steigen

Die Unternehmen zeigen sich viel weniger zuversichtlich und halten sich mit Investitionen zurück. In diesem Jahr werden die Unternehmensinsolvenzen in 26 der 39 von Coface untersuchten Länder steigen, im Jahr 2018 waren es vergleichsweise nur 19 Länder.

Europa stark betroffen

„Europäische Unternehmen zählen zu den am stärksten Betroffenen”, betont der Coface- Manager: „Coface rechnet mit einem Anstieg der Insolvenzen um drei Prozent in Westeuropa und vier Prozent in Zentral- und Osteuropa.”

In Deutschland ist die Erosion des Unternehmervertrauens im verarbeitenden Gewerbe viel stärker ausgeprägt als in den Nachbarländern.

Auslandsumsätze eingebremst

Die große Offenheit der deutschen Wirtschaft und das Engagement in risikoreicheren Destinationen wie Türkei, Großbritannien, China und – in geringerem Maße – auch den USA bremsen den Auslandsumsatz. Die Bestellungen sind im März bei den Herstellern um über vier Prozent gesunken, was der niedrigste Wert seit Jänner 2017 ist.

Nach dem Automobilsektor, dessen Bewertung in Europa, Nordamerika und Lateinamerika Anfang des Jahres von Coface herabgestuft wurde, spüren nun die Zulieferer die Folgen des sinkenden Automobilabsatzes.
Besonders betroffen ist der Chemiesektor. Auch die petrochemischen Unternehmen reagieren empfindlich auf steigende Öl- und Ethanpreise sowie auf Änderungen des regulatorischen Rahmens und des Verhaltens der Verbraucher, die zunehmend um die Umwelt besorgt sind.

Naher Osten stabil

Dieser Trend veranlasst Coface, den Chemiesektor in den Vereinigten Staaten, Deutschland und den Niederlanden auf mittleres Risiko und auf hohes Risiko in Frankreich, Großbritannien und Italien herabzustufen.

Der Anstieg der Ölpreise, der laut Coface 2019 mit durchschnittlich 65 USD auf einem komfortablen Niveau bleiben sollte, und die jüngste Neuausrichtung der Geldpolitik der US-Notenbank tragen dazu bei, das Kreditrisiko im Nahen Osten zu stabilisieren. Die Bewertung Saudi-Arabiens wird daher von Coface auf B heraufgestuft.

Wer profitiert

Der Textil- und Holzsektor profitiert von erhöhten Haushaltsausgaben, was die Aufwertung seiner Bewertungen auf mittleres Risiko erklärt.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten, deren Länderbewertung im Februar letzten Jahres verbessert wurde, fallen laut Coface drei Sektoren in die mittlere Risikokategorie: Automobil (insbesondere als Reaktion auf die vielen Infrastrukturprojekte, darunter die Expo 2020), der Einzelhandel (getrieben durch stärkeres Wachstum sowie Investitionen und Tourismus) und die Textil-Bekleidung, die von erhöhter Kaufkraft und verändertem Verbraucherverhalten profitieren.

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