Anspannung um Rabatte nimmt zu
© Richard Tanzer
WGKK-Obfrau Ingrid Reischl kritisiert die Pharmabranche für hohe Preise.
HEALTH ECONOMY 06.11.2015

Anspannung um Rabatte nimmt zu

Der Konflikt um Zwangsrabatte per ASVG-Novelle spitzt sich weiter zu – die Worte werden schärfer. Die Industrie ortet zudem eine Verfassungswidrigkeit des geplanten Gesetzes.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Für die Arzneimittelbranche ist die Sache klar: Der dramatische Anstieg der Arzneimittelausgaben war nur kurzfristig, längst sind die Zuwächse wieder niedriger und eine millionenschwere „Pharmalücke”, wie sie die Krankenkassen fürchten, gäbe es nicht. „Aktuelle Zahlen bestätigen einen Trend, der bereits vor Monaten eingeleitet wurde. So betrug die Steigerung der Medikamentenkosten im Mai lediglich 3,8 Prozent. Die Zahlen für Juli beliefen sich auf rund vier Prozent, im August auf 4,8 Prozent – eine Entwicklung, die sich auch im September mit 1,6 Prozent fortgesetzt hat”, rechnet Ingo Raimon, Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI), vor. Im Jahresdurchschnitt würden sich die Steigerungsraten bei den Medikamentenkosten damit auf knapp fünf Prozent belaufen, nicht, wie von vielen Seiten berichtet, auf rund acht Prozent.

Raimon merkt an, dass der Hauptverband der Sozialversicherungsträger im Hinblick auf die Ausgabensteigerungen immer nur das zweite Halbjahr 2014 und das erste Quartal 2015 als Vergleichszeitraum heranzieht und offensichtlich die aktuelle sinkende Tendenz der letzten Monate „nicht akzeptieren will”. Dieser rückläufige Trend der Medikamentenkosten sei jedoch eine Tatsache.
Ganz anders hört sich die Sicht der Krankenkassen an: „Die ins­zenierte Empörung der Pharmabranche anlässlich des Entwurfs zu einem Rabattgesetz, gepaart mit unseriösen Anschuldigungen gegen die Sozialversicherung, zeigt, dass die Branchenvertreter versuchen, mit allen Mitteln die Tatsachen zu vernebeln.” So kommentiert ­Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und Vorsitzende der Trägerkonferenz, die jüngsten Aussagen der Pharmawirtschaft.

Kassen rechnen anders

Für die Sozialversicherung gelte, dass die Medikamentenkosten im Schnitt um maximal drei Prozent im Jahr steigen dürfen. „Diesen Wert haben wir in der jüngsten Vergangenheit zum Teil massiv überschritten”, betont Reischl. So sei die soziale Krankenversicherung bereits seit Mitte 2014 mit einer außerordentlichen Steigerung des Medikamentenaufwands konfrontiert: Im zweiten Halbjahr 2014 betrugen die Steigerungsraten 9,4 Prozent, für das erste Halbjahr 2015 ergibt sich ein Wert von plus 8,7 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr 2015 wird österreichweit eine Steigerung von 7,2 Prozent erwartet.

Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, weist die Vorwürfe wiederum zurück und rechnet vor, dass die Pharmawirtschaft die Konsolidierung der Krankenkassen durch Solidarbeiträge und Preisreduktionen bedingt durch Patentabläufe seit 2008 mit annähernd einer Mrd. Euro unterstützt habe. Er ortet zudem verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz.

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