„Der Standort steht unter Druck”
© sonn.at/Peter Mayr
Patentexperte Daniel Alge ist Patentanwalt, Biochemiker und neuer Präsident der Bundeskonferenz der Freien Berufe (BUKO).
HEALTH ECONOMY Redaktion 08.09.2023

„Der Standort steht unter Druck”

Wie steht es um die Konkurrenzfähigkeit des Standorts? medianet sprach mit BUKO-Präsident Daniel Alge.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Der Biochemiker, Patentanwalt und OGH-Richter Daniel Alge ist seit Kurzem Präsident der Bundeskonferenz der Freien Berufe (BUKO). Alge ist zudem ist Präsident der EU-Arbeitsgruppe im internationalen Patenanwaltsverband (FICPI) und Vorstandsmitglied der Vereinigung der europäischen Patentanwälte.

medianet:
Wie beurteilen Sie die Wettbewerbsfähigkeit des Pharmastandorts Österreich?
Daniel Alge: Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich – wie der gesamten EU – steht zunehmend unter Druck, da zwar Forschung und Innovation sehr gut unterstützt und finanziert werden und auch international auf höchstem Niveau stehen, jedoch die Transformation der Ergebnisse dieser Innovationen in marktfähige Produkte, insbesondere neue Arzneimittel und Therapiekonzepte, regelmäßig von nicht-EU-Firmen erfolgt, die dann den wirtschaftlichen Erfolg dafür ernten. Dies gilt jedoch nicht nur für die ‚Champions League' der Arzneimittel-Innovation, also für die Etablierung neuer Arzneimittel, sondern dies gilt leider für die Arzneimittelproduktion im Allgemeinen, also auch für die Herstellung von bewährten und oft dringend benötigten Pharmazeutika und Medizinprodukten.

medianet: Was schlagen Sie vor?
Alge: Generell müssen Österreich und Europa hinsichtlich Medizinprodukte und Medikamente wieder autonomer werden. Die starke Abhängigkeit von Asien ist uns in der Covid-Pandemie allen schmerzlich bewusst geworden, als plötzlich die gewohnten Lieferketten aus Übersee unterbrochen wurden. Wir brauchen mehr Beispiele wie Kundl, wo Novartis aktuell die letzte Antibiotika-Produktion Europas betreibt und kürzlich neue Investitionen angekündigt hat. Dazu müssen sich aber Investitionen in die Entwicklung oder in die Herstellung in Österreich und in der gesamten EU auch wieder lohnen. Eine stetige Niedrigregulierung der Preise für wirksame Medikamente steht dem entgegen.

medianet:
Sie sind auch promovierter Biochemiker – wo kann Österreich besonders punkten?
Alge: Was die klinische Forschung in Österreich im Arzneimittelsektor betrifft, so ist die Onkologie das in Österreich seitens der pharmazeutischen Industrie am meisten beforschte Gebiet. Gleichzeitig ist die Anzahl der hier durchgeführten klinischen Prüfungen im Vergleich mit anderen Ländern innerhalb Europas niedrig. Österreich verfügt über ein hohes Maß an Know-how im Forschungsbereich; gleichzeitig ist das überwiegende gesellschaftliche und politische Klima eher forschungsskeptisch und hat wenig Wettbewerbsverständnis.

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