„Die Politik wird das nicht schaffen”
© Medicare
Pflegekrise Der Personalmangel in der Pflege ist nur mit Zuwanderung zu beheben, sagt Personalbereitsteller Gerhard Flenreiss. Mit Ausländer­feindlichkeit sei das aber nicht zu machen.
HEALTH ECONOMY Redaktion 08.09.2023

„Die Politik wird das nicht schaffen”

Der Zuzug von Pflegekräften brauche klare Strategien und Konzepte, sagt Personalentwickler Gerhard Flenreiss.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Die Personalsituation im Pflegebereich ist angespannter als öffentlich bekannt, sagt Gerhard Flenreiss. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Wiener Personalunternehmens Medicare und langjähriger Berater vieler Einrichtungen. Im medianet-Interview warnt er davor, das Thema Zuwanderung zu vereinfachen.

medianet:
Bund und Länder wollen derzeit ja Menschen in anderen Regionen der Welt, wie Südamerika oder Asien, als Pflegekräfte nach Österreich holen …
Gerhard Flenreiss: So wie das jetzt diskutiert wird, funktioniert das nicht. Als Staat stehen wir im Wettbewerb mit anderen Ländern, die schneller und weiter sind wie wir. Wir müssen aufholen, es gibt aber keinen Plan dafür. Dafür müssen wir konkrete Ziele formulieren und konkretisieren, wen wir wofür haben wollen. Wir müssen den Leuten verbindlich etwas anbieten können. Und wir müssen im Herkunftsland ein Vertrauen in die Auswanderung zu uns schaffen. Wir müssen Österreich ‚verkaufen' und eine Geschichte erzählen. Dabei geht es nicht darum, dass wir den Menschen alles finanzieren, sie kommen ja her, weil sie hier arbeiten wollen. Aber zu sagen: ‚Kommt halt und dann schauen wir mal', funktioniert nicht.

medianet:
Was fordern Sie?
Flenreiss: Zuerst braucht die Politik ein Commitment, dass wir eine gezielte Zuwanderung wollen. Die Menschen, die herkommen, müssen in Gemeinden integriert und abgeholt werden. Es muss uns allen klar sein, dass jemand, der aus dem Ausland zu uns kommt, die Großmutter von jemandem hier pflegt. Und es muss uns klar sein, dass das mit Ausländerfeindlichkeit nicht zu machen ist.

medianet:
Wie sollen diese Angebote aussehen?
Flenreiss: Das gilt etwa für die Nostrifizierung, wo wir weg von der Einzelfallbetrachtung hin zu bundeseinheitlichen Regelungen kommen müssen. Und es dürfen für die Nostrifizierung und Ergänzungslehrgänge keine Kosten anfallen. Gleichzeitig braucht es flüssige und klare Verwaltungsabläufe, an denen sich alle orientieren können. Wir müssen zudem in der Einstiegsphase die Deutsch-Ausbildung vor Ort unterstützen und brauchen in den Regionen eigene Integrationsbeauftrage. Zudem wünsche ich mir einen Resettlement-Support. Wir dürfen nicht die Fehler machen, die es in den 1970er-Jahren gab, als man etwa Arbeitskräfte aus der Türkei geholt hat ohne Integrationskonzept und Ziel.

medianet:
Welche Rolle sollen Personalleasing-Unternehmen übernehmen?
Flenreiss: Die Politik allein wird das nicht schaffen. Sie muss die Rahmenbedingungen und die Budgetierung schaffen. Für die Umsetzung benötigt es eine Partnerschaft von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen, die es gewohnt sind, Mitarbeiter – auch international – zu rekrutieren. Das tun wir ja heute schon, wenn wir etwa für andere Unternehmen oder internationale Konzerne arbeiten. Die Vorfinanzierung im Bereich der Pflege ist für uns aber unmöglich. Wir brauchen also öffentliche Ressourcen und privatwirtschaftliche Expertise.

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