••• Von Martin Rümmele und Katrin Grabner
WIEN. Die Verschnaufpause in Sachen Pandemie führt zur Debatte über andere gesundheitspolitische Themen. Und da rücken auch die Finanzierung der Coronakosten einerseits und das Defizit der Krankenkassen in den Fokus. Im medianet-Interview skizziert ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer, wie er sich die Zukunft vorstellt.
medianet: Wie läuft die Umsetzung der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur ÖGK?
Bernhard Wurzer: Die ÖGK ist auch für Menschen, die seit 20 Jahren hier arbeiten, nicht mehr wegzudenken. Im Moment versuchen wir, eine neue, gemeinsame Kultur zu entwickeln. Für die Versicherten arbeiten wir daran, bundesweit alle Leistungen anzugleichen, also das Beste aus allen Ländern herauszuholen. Was den Personalstand angeht, sind wir stabil. Trotz der Situation, dass wir während der Pandemie viele Aufgaben übernommen haben, wie den Ankauf von Schutzbekleidung, Stundungen für die Beiträge und vieles mehr. In den nächsten Jahren wollen wir daran arbeiten, Synergieeffekte zu lukrieren – vor allem bei der Kostenerstattung und ähnlichen Themen, wo sich die Bundesländer gegenseitig helfen können.
medianet: Wie steht es um die versprochene Patientenmilliarde – die ÖGK erwartet in den kommenden Jahren Verluste?
Wurzer: Die Patientenmilliarde war eine politische Diskussion. Das ist nicht das Thema, das wir in der Verwaltung als Maßgabe hatten. Wir wollen die 16,5 Mrd. Euro Gesamtumsatz den Versicherten zugutekommen lassen. In die Verwaltung fließen nicht einmal drei Prozent, der Rest wird für die Versicherten eingesetzt. Wir wollen einerseits die Leistungen stetig ausbauen sowie entbürokratisieren – und das tun wir auch. Wenn man sich die ersten Prognosen von 2020 ansieht, als es Diskussionen über Horrorszenarien über Milliardendefizite gab, muss man sagen, dass wir besser dastehen. Es gibt zwar ein Minus – weniger als ein Prozent des Gesamtvolumens –, aber das ist hauptsächlich der Pandemie geschuldet. Die ÖGK ist stabil.
medianet: Während der Pandemie waren die Menschen weniger im Spital – sollten da nicht auch Ihre Zahlungen an die Spitäler gesenkt werden?
Wurzer: Das ist ein großes Thema in den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen. Letztlich haben sich die Zahlungen aufgrund der Beitragssituation in einem Jahr nicht so stark erhöht, wie angenommen. Jetzt gibt es eine große Nachzahlung, weil die Beiträge im vergangenen Jahr wieder stark gestiegen sind. Unsere Zahlungen an die Krankenhäuser haben sich gar nicht geändert, die Leistungen sind aber pandemiebedingt deutlich zurückgegangen. Trotzdem gab es hier vom Bund eine große Finanzspritze über 700 Mio. Euro für die Spitäler aufgrund der Einnahmeausfälle. Da wird man in den 15a-Verhandlungen nachdenken müssen, was die Leistung der Sozialversicherung ist und was die Sozialversicherungen in den vergangenen Jahren trotzdem in die Spitäler einbezahlt haben. Es geht um leistungsorientierte Bezahlung, also dass die Gelder auch dorthin fließen, wo die Menschen behandelt werden.
medianet: Wie entwickeln sich die Arzneimittelausgaben?
Wurzer: Die Ausgaben entwickeln sich derzeit steil nach oben, was kein Mengenproblem ist, sondern mit dem Preis zu tun hat. Es kommen immer mehr neue Medikamente auf den Markt, und viele Dinge, die vorher stationär erledigt wurden, werden ausgelagert, was auch Arzneimittelkosten zu uns bringt. Das ist eine große Herausforderung für uns, da braucht es neue Finanzierungsmodelle, auch in Richtung Pay-for-Performance. Per Gesetz ist hier der Dachverband zuständig. Da gibt es aber ein Zusammenspiel mit den Trägern, um den Versicherten die beste Versorgung zu sichern.