Forschung zeigt: Keine Tabus beim Darm
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Darmtag Lange schon weiß man um die zentrale Rolle des Darms für die Gesundheit des Menschen Bescheid. Nicht nur für die Aufnahme von Nahrung ist das Organ wichtig, der Darm und sein Mikrobiom sind ein wesentlicher Regulator auch für andere Abläufe.
HEALTH ECONOMY Katrin Waldner 10.06.2016

Forschung zeigt: Keine Tabus beim Darm

Beim „Langen Tag des Darms” wird am Samstag mit Berührungsängsten zum sensiblen Thema aufgeräumt. Gleichzeitig gibt es auch zahlreiche Neuigkeiten vor allem aus der Darmkrebsforschung.

••• Von Katrin Waldner

 

Am Samstag, den 11. Juni, kann man den Darm zumindest in Wien hautnah erleben – interaktive Stationen wie Koloskopie zum selbst Ausprobieren und ein begehbares Darmmodell machen das möglich. Der „Lange Tag des Darms” findet schon zum zweiten Mal im MuseumsQuartier Wien statt. Veranstaltet wird er vom Verein „Darm plus”. Ziel ist es, mit Tabus rund um das Thema Darm zu brechen. Lange schon weiß man um die zentrale Rolle des Darms für die Gesundheit des Menschen Bescheid. Nicht nur für die Aufnahme von Nahrung ist das Organ wichtig, der Darm und sein Mikrobiom sind ein wesentlicher Regulator auch für andere Abläufe.

Obwohl bis zu 80.000 Österreicher an Chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden, ist das Wissen der heimischen Bevölkerung zur Darmgesundheit eher gering. Harald Vogelsang, Präsident von Darm plus, erklärt: „Chronisch entzündliche Darm­erkrankungen nahmen in den vergangenen Jahrzehnten weltweit eindrucksvoll zu. Sie gehören zu einer Gruppe von chronischen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, die hauptsächlich Morbus Crohn und Colitis ulcerosa umfassen. CED beginnen meist im Jugend- oder jungen Erwachsenen­alter und können durch funktionelle Einbußen des Magen-Darm-Trakts und Komplikationen zu einer körperlichen Behinderung führen. CED haben nach unseren heutigen Vorstellungen multifaktorielle Ursachen, wie eine genetische Prädisposition und Umweltfaktoren.”

Aufwand enorm

Allen Patienten, die unter diesen bisher als unheilbar geltenden Darmerkrankungen leiden, ist eines gemeinsam: Sie verbringen viel Zeit damit, die Krankheit zu managen; Zeit, um sich über Behandlungen zu informieren, Ursachen abklären zu lassen oder sich mit Ernährung zu beschäftigen. Von den ersten Beschwerden bis zur Diagnose und Behandlung vergehen oft Jahre, dabei könnten mit den verfügbaren Therapien bleibende Schäden am Darm genauso vermieden oder reduziert werden wie schlechte ­Lebensqualität, Krankenstand und Operationen.

Die meisten Menschen gehen zum Arzt, wenn sie unter Bauchschmerzen verschiedenster Art und damit verbundenen Symptomen wie Durchfall, Blähungen und Verstopfung leiden. Für die Patienten sind diese Krankheitsanzeichen oft quälend und beeinträchtigen die Lebensqualität. Die meisten der Beschwerden sind funktioneller Natur und werden nicht als sehr bedrohlich gewertet; die Ursache können Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder -allergien, Fehl­ernährung und anderen Lebensstilfaktoren oder die Psyche sein.

Einfache Früherkennung

In jenen Fällen, in denen jedoch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung vorliegt, gilt es, diese rechtzeitig zu erkennen und rasch einer spezifischen Behandlung zuzuführen, sagen die Experten. Eine Entzündung im Darmtrakt lässt sich heute durch einen Stuhltest relativ einfach erkennen. CED beginnen meist im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter und können durch funktionelle Einbußen des Magen-Darm-Trakts und Komplikationen zu einer körperlichen Behinderung führen. Bei einem frühen Erkennen der Krankheit und rechtzeitiger Therapie lässt sich ein solch schwerer Verlauf oft verhindern, empfehlen die Spezialisten.

Weitverbreiteter Krebs

Frühes Erkennen ist aber nicht nur bei entzündlichen Darmerkrankungen wichtig, sondern auch bei Darmkrebs, der bei Männern und Frauen zweithäufigsten Krebserkrankung. Bei keiner anderen Krebserkrankung ist der Wert der Früherkennung und der Krebsvorsorge so gut abgesichert wie bei dieser. Durch einen gesunden Lebensstil können viele Darmkrebserkrankungen verhindert werden, zeigen Studien. Regelmäßige, frühzeitige Vorsorgeuntersuchungen verbessern deshalb die Prognose sowie den Krankheitsverlauf ­wesentlich.

Kritik an Reparaturmedizin

„In den vergangenen Jahrzehnten haben wir uns im Gesundheitswesen viel zu sehr auf die reine Reparaturmedizin konzentriert und ein Versorgungssystem aufgebaut, das erst dann eingreift, wenn die Menschen schon krank sind. Dies bedeutet, dass wir in der Gesundheitspolitik dringend einen ­Paradigmenwechsel vorantreiben müssen – weg von der Reparaturmedizin hin zu ‚gesund bleiben’ beziehungsweise vorbeugen”, sagt Alexander Herzog, Obmann-Stellvertreter der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA).

Man müsse den Menschen viel mehr gesunde Lebensjahre ermöglichen. Bei der Gesundheit und auch speziell bei der Darmgesundheit gibt es Risikofaktoren, die jeder Einzelne selbst in der Hand hat. Herzog: „Wir als SVA sind davon überzeugt, dass sich langfristig jeder in die Prävention investierte Euro für unsere Versicherten – aber auch für das Gesundheitssystem – lohnt; daher begleiten wir unsere Versicherten beim Gesundbleiben.”
Bei 25% der Darmkrebsfälle gibt es eine familiäre Häufung; in fünf bis sieben Prozent wird Darmkrebs nachweislich vererbt. Ein Gentest kann hier Aufschluss darüber geben, wer betroffen ist.
„Bei den erblichen Formen von Darmkrebs dauert der Weg von einer Zellveränderung bis zum Karzinom oft nur ein bis drei Jahre. Umso wichtiger ist die Früherkennung”, betont Philip de Maré, Leiter des Darmgesundheitszentrums des St. Josef-Krankenhauses. Er empfiehlt, einen Spezialisten dann aufzusuchen, wenn es in der Familie bereits einen Fall von Darmkrebs oder einer „verwandten” Krebsart wie zum Beispiel Eierstock-, Gebärmutterschleimhaut- oder Magenkrebs gegeben hat und wenn die Betroffenen jünger als 50 Jahre alt waren.

Eigenes Zentrum

Im Darmgesundheitszentrum des St. Josef-Krankenhauses wird gemeinsam mit den Betroffenen eine ausführliche Familienanamnese erhoben und ein medizinischer Stammbaum erstellt. Lässt sich daraus ein erhöhtes Risiko ableiten, werden weitere Analysen bis hin zur molekulargenetischen Untersuchung durchgeführt. „Mit einem speziellen Gentest lässt sich genau sagen, ob jemand die Genmutation in sich trägt oder nicht. Falls ja, erstellen wir einen klaren Vorsorgeplan für regelmäßige Untersuchungen. Früherkennung ist bei Krebs das Um und Auf”, erklärt der Darmspezialist.

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