••• Von Martin Rümmele
WIEN/BRÜSSEL. Nur 20% der in Europa zugelassenen Wirkstoffe werden lokal produziert. Der Preisdruck sorgte bisher für eine Verschiebung insbesondere nach China und Indien, sagt Wolfgang Andiel, Präsident des Generikaverbandes. Lieferengpässe von lebenswichtigen Medikamenten waren deshalb ein Problem, das während der Coronakrise nochmals deutlicher wurde, sagt Andiel und fordert, die Versorgungssicherheit zu stärken.
Neue Strategie gesucht
„Wir brauchen eine effiziente, europaweite Pharma-Strategie, in der die globale Produktionsstruktur und Lieferketten resilienter gestaltet werden”, betonte Andiel angesichts der Tatsache, dass die Wirkstoff- und Medikamentenherstellung abgewandert ist. Dafür müssten die Lehren aus der covid-19-Krise gezogen werden, wie etwa die Abhängigkeit von Importen oder die Anfälligkeit und mangelnden Redundanzen in den Lieferketten.
Seit Wochen werden solche Rufe laut, die Pharmaindustrie zurückzuholen. Doch das wird nicht leicht, sind doch die Gesundheitssysteme auf die niedrigen Preise auf Fernost angewiesen. Und den wichtigen Handelspartner China will man auch nicht vergraulen. Abhilfe sollen nun Notlager schaffen, so der Plan der EU-Kommission. Ganz aufgeben will man Pläne zur Wiederansiedelung der Industrie in der EU aber nicht.
Die Lagerhaltung soll aus dem neuen Gesundheitsbudget im Volumen von 9,4 Mrd. € bezahlt werden, kündigte die Kommission in Brüssel an. Die Reserve werde einen Notfall-Bestand im Wert von 380 Mio. € ergänzen, den die Gemeinschaft angelegt hatte, nachdem vielen Ländern zu Beginn der Coronakrise Schutzmasken, Tests, Beatmungsgeräte und Medikamente für die Behandlung auf der Intensivstation und anderes lebenswichtiges Material fehlte. Künftig will die EU auch Desinfektionsmittel, Test- und Diagnose-Reagenzien, Schutzausrüstung und weitere wichtige Arzneimittel einlagern. Außerdem sollen von dem Budget, das die Parlamente der Mitgliedsstaaten noch billigen müssen, Impfstoffe angeschafft werden. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides erklärte, sie wolle Pharma-Firmen mit Anreizen dafür gewinnen, Impfstoff wieder in Europa zu entwickeln und herzustellen.
Großhandel ist starklar
Es sei wichtig, Arzneimittel im Land zu haben, wenn sie benötigt werden, sowie die Logistik, um diese Medikamente rasch zur Verfügung stellen zu können, sagt der Präsident des Großhandelsverbandes Phago, Andreas Windischbauer. Wenn man die Versorgung mit Arzneimitteln absichern will, braucht es Lager, besonders im Falle von Grenzschließungen wie zuletzt. Phago will, dass die 23 Lager der Vollgroßhändler für einen Sicherheitsbestand an versorgungskritischen Medikamenten herangezogen werden.