Impfmarkt in Österreich ist rund 100 Mio. € schwer
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HEALTH ECONOMY Redaktion 13.12.2019

Impfmarkt in Österreich ist rund 100 Mio. € schwer

Die jüngste Diskussion um Masern und Grippe führt zu einer Debatte über Impfpflicht. medianet analysiert den Markt.

••• Von Martin Rümmele

Rund 100 Mio. € werden in Österreich pro Jahr für Impfstoffe ausgegeben. Genau sagen kann es niemand, denn nur etwa ein Drittel läuft über die Apotheken und ist dort wieder zum Teil privat zu bezahlen, wie etwa Impfungen für spezielle Auslandsreisen. Andere Impfungen werden wiederum von der öffentlichen Hand bezahlt – aber nicht nur von den Krankenversicherungen wie etwa Kinderimpfungen, sondern auch von Bund oder Ländern. Das Volumen könnte allerdings durchaus größer sein, denn die Impfbereitschaft der Österreicher lässt zu wünschen übrig und das hat auch Folgen für das Gesundheitssystem insgesamt.

Allein Grippe kostet 537 Mio.

Im Winter 2018/2019 starben etwa an der Virusgrippe rund 1.400 Menschen in Österreich – mehr als drei Mal so viele wie im Straßenverkehr, hat die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gemeinsam mit den Fachleuten des Zentrums für Virologie der Meduni Wien errechnet. Während der letzten – als moderat einzustufenden – Influenzasaison erkrankten 140.000 bis 150.000 Personen an dieser Infektion. Zum Vergleich: während der vorhergehenden, sehr starken Grippewelle der Saison 2017/18 erkrankten über 400.000 Personen in Österreich an der Influenza. Die Kosten für das Gesundheitssystem betragen allein durch Grippe rund 41 Mio. €, die Wirtschaft verliert durch Krankenstände 496 Mio. €. „Dennoch liegt die Durchimpfungsrate unter zehn Prozent”, sagt Sigrid Haslinger, Vizepräsidentin des Österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller (ÖVIH).

Ein anderes Thema ist der sogenannte Herdenschutz bei hochansteckenden und gefährlicheren Erkrankungen wie Masern. Auch hier ist zuletzt die Durchimpfungsrate gesunken. Die Folge: Im laufenden Jahr gab es bereits doppelt so viele Masernfälle wie im Jahr davor; Experten fordern deshalb eine generelle Impfpflicht in diesem Bereich. Nun sind auch die Landeshauptleute von Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark vorgeprescht. Viele wünschen sich, wie auch die Ärztekammer, eine Koppelung an den Mutter-Kind-Pass.
Derzeit ist die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes an die ersten zehn im Mutter-Kind-Pass vorgeschriebenen Untersuchungen gekoppelt. Fehlt eine davon oder wurde sie zu spät durchgeführt, werden 1.300 € abgezogen. In diesen verbindlichen Teil des Passes müssten auch die zwei Masern-Mumps-Röteln-Impfungen aufgenommen werden, so ein Vorschlag der ÖVP Oberösterreich. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist weiterhin gegen eine Impfpflicht; der Ressortchef hat bereits wiederholt betont, nichts von „Zwangs- und Strafsystemen” zu halten. Er sei jedenfalls dagegen, so lange nicht alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausgeschöpft würden, die Masernimpfung zu bewerben.

Lieferprobleme

Ein Versorgungsproblem ist allerdings die Beschaffung: All jene Impfstoffe, die im Kinderimpfkonzept enthalten sind, werden von der öffentlichen Hand gekauft. Die Beschaffung erfolgt mittels Ausschreibung, was für die Hersteller einige Herausforderungen mit sich bringt. „Das führt unter anderem dazu, dass immer nur ein Impfstoff zur Verfügung steht. Gibt es einen Lieferengpass, kommt es zu Problemen”, erläutert Haslinger.

Gar keine Bedarfsplanung auf Herstellerseite ist für jene Impfstoffe möglich, die die Österreicher selbst bezahlen müssen. Es gibt für die entsprechenden Impfungen weder Kampagnen der öffentlichen Hand noch definierte Impfziele. „Die Konsequenz ist, dass die Durchimpfungsraten – wie zum Beispiel bei Influenza – zu den schlechtesten in Europa gehören”, so Haslinger. „Auch die benötigte Impfstoffmenge ist völlig unklar. Die Mengenplanung beruht ausschließlich auf der Selbsteinschätzung der Hersteller.” Kommt es dann zu einer Erkrankungswelle und steigender Nachfrage, können Impfstoffe nur schwer rasch geliefert werden.

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