Impfskeptiker im Visier der PR-Strategen
© APA/AFP/Jack Guez
HEALTH ECONOMY Redaktion 01.10.2021

Impfskeptiker im Visier der PR-Strategen

Nicht nur die Frage, wie sich die Impfquote erhöhen lässt, polarisiert, sondern auch, wie die Politik in der Krise agiert.

••• Von Martin Rümmele

Die „Persönliche Erklärung”, die FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl groß ankündigte, war kurz vor der OÖ-Wahl am Wochenende die Inszenierung eines ärztlichen Attests, dass er weder gegen das Corona-Virus geimpft noch von Covid-19 genesen ist. Der Versuch, damit die Impfgegner und Corona-Skeptiker hinter sich zu versammeln, ging nach hinten los: Die FPÖ hat in Oberösterreich und Graz kräftig verloren, die neue Bewegung MFG zog hingegen auf Anhieb in den oö. Landtag ein.

FPÖ kann nicht punkten

Die FPÖ vermutet im Hinweis auf eine mögliche heimliche Kickl-Impfung und die Impfung zahlreicher FPÖ-Funktionäre eine ÖVP-Kampagne und zieht nun in Feld. Spätestens jetzt wird deutlich, dass die Corona-Politik zum Aktionsfeld von PR-Strategen und Kampagnen wird. Mehr als 40 Mrd. € hat die Österreichische Bundesregierung bis Mitte September 2021 für Corona-Hilfsmaßnahmen ausbezahlt oder genehmigt. Mit einem breiten Maßnahmenmix sollten und sollen neben der Gesundheit der Menschen auch das wirtschaftliche Überleben von Unternehmen gesichert und Arbeitsplätze erhalten werden.

Die Maßnahmen wurden auch begleitend inszeniert, und wenn die Infektion wieder anstiegen oder Maßnahmen wenig wirkten, wie die Hoffnung auf rasch verfügbare Impfstoffe, wurde schon einmal in die Trickkiste gegriffen: Von der Warnung, dass bald jeder jemanden kennen werde, der an Corona verstorben sei, über die – bis heute nicht erfolgte – rasche Beschaffung des russischen Impfstoffs Sputnik V bis zum Versprechen, dass der Sommer wie damals werde, reichte die Palette.
Der freiheitliche Mediensprecher Christian Hafenecker kündigte nun Anfragen an alle Ministerien an, in denen er Auskunft über die Vergabe von Aufträgen an Unternehmen der Politikberatung, Meinungsforschung, PR, Coaching und Werbung verlangt. „Der Bundeskanzler legt die Gesundheit der Österreicher nicht in die Hände verantwortungsvoller Mediziner, sondern in diejenigen windiger PR-Berater”, meinte Hafenecker. „Die Regierung entwickelt ihre ‚Gesundheitsstrategie' primär mit Politikberatern, Meinungsforschern und Werbeagenturen.” Nicht wissenschaftliche Fakten, sondern politische Opportunität würde den nicht nachvollziehbaren Corona-Kurs bestimmten. Die Antworten auf die Anfragen werden in jedem Fall interessant.

Experten diskutieren Politik

Wie Krisenmanager und Kommunikationsverantwortliche österreichischer Unternehmen, Behörden, Verbände und Medien die staatliche Krisenbewältigung während der Coronapandemie beurteilen, wird übrigens am 19. Oktober beim Österreichischen Krisenkommunikationsgipfel diskutiert. Da gibt es dann die Expertise der Kommunikationsbranche – unabhängig vom Politikstreit. Diskutiert wird, welche Erfahrungen die Profis mit der Krisenkommunikation gemacht haben und welche Veränderungen bei der Krisenorganisation für die Zukunft erwartet werden. Das laut Veranstaltern „größte und traditionsreichste Gipfeltreffen zur Krisenkommunikation und zum Krisenmanagement in Europa” findet zum 32. Mal statt und wird zum sechsten Mal an einer österreichischen Universität ausgerichtet; Gastgeber ist das renommierte Kieler Institut für Krisenforschung („Krisennavigator”), ein Spin-off der Universität Kiel – diesmal gemeinsam mit der Krisenstabsleitung der Universität Wien.

Parallel zum Treffen untersuchen die Kieler Krisenforscher die Corona-Krisenbewältigung in Österreich. Im Rahmen der Krisenstudie wird auch eine anonyme Umfrage unter österreichischen Krisenbeauftragten und Kommunikationsverantwortlichen durchgeführt. Der Fragebogen mit zwölf kurzen Fragen kann unter www.umfrage.krisenkommunikation.at abgerufen werden. Erste Zwischenergebnisse sollen bereits im Rahmen des Kongresses am 19. Oktober an der Universität Wien vorgestellt werden.

Kommunikation gefragt

Immer deutlicher wird in Hinblick auf die Durchimpfungsraten jedenfalls, dass diese mit geeigneter Kommunikation durchaus erhöht werden könnten. Die Wiener Hausärztin und Ärztekammerfunktionärin Naghme Kamaleyan-Schmied warb zuletzt in einem „ZiB2”-Interview dafür, die Kommunikation und das Impfen vor allem Hausärzten zu überlassen. Sie kennen ihre Patienten und wissen, wie sie argumentieren müssen. Und vor allem: Sie hören ihnen zu und überzeugen sie danach. Der Public Health-Experte Martin Sprenger argumentiert ähnlich und unterlegt es mit Fakten; er fordert in einer Stellungnahme, dass man sich überhaupt einmal ansieht, wer die ungeimpften Personen eigentlich sind und wer davon Risikogruppen sind. Dementsprechend müsse man sich dann die Kommunikationsstrategie überlegen. Entscheidend sind offenbar Kriterien wie Einkommen, Bildungsniveau und Risikofaktoren wie Übergewicht.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL