Kassenfusion geht in die Zielgerade
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ReformpläneÖVP-Klubchef August Wöginger, Kanzler Sebastian Kurz, Vize Heinz-Christian Strache und Ministerin Beate Hartinger-Klein wollen Kassen fusionieren.
HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 14.09.2018

Kassenfusion geht in die Zielgerade

Die Reform der Sozialversicherungen geht ins Finale; sie könnte allerdings auch noch am VfGH scheitern.

••• Von Martin Rümmele

Die Reform des Sozialversicherungssystems mit der Reduktion der Träger von 21 auf 5 scheint fix. Die Regierungsparteien sehen die geplante Strukturreform der Sozialversicherungen nach einer Gesprächsrunde mit den Sozialpartnern und einem Treffen mit schwarzen Ländervertretern auf Kurs. Vor allem in den Verhandlungen mit Ländervertretern habe man sich am Mittwoch auf wesentliche Punkte verständigen können, hieß es.

Insgesamt sollen die neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) fusioniert werden, darunter wird es neun Landesstellen geben, die sich um die regionale Versorgungsplanung kümmern sollen. Beitragseinnahmen und Rücklagen sollen bei den Ländern bleiben. Statt des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger soll es dann einen an Kompetenzen ärmeren Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger geben.

Hauptverband entmachtet

Die Österreichische Gesundheitskasse übernimmt demnach künftig die Steuerung der bundesländerübergreifenden Gesundheitsplanung sowie die Budget- und Personalhoheit. Dazu gehört auch der Beschluss über einen österreichweiten Gesamtvertrag mit den Ärzten inklusive Honorare, die Vertragspartnerabrechnung, Qualitätssicherung, Lohnverrechnung, Melde- und Beitragswesen.

Von einer Entmachtung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger will die Regierung nicht sprechen. Der Hauptverband werde als „Dachverband weiterbestehen, eine koordinierende Funktion übernehmen, aber deutlich verschlankt”. Welche Aufgaben er aber haben soll, ist unklar. Diskutiert wurde auch, dass etwa die Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie zur ÖGK wandern könnten. Offen bleibt dabei, ob dann auch die anderen Träger mit der Industrie verhandeln und dann möglicherweise Selbstständige andere Medikamente erstattet bekommen, als ÖGK-Versicherte.

Offene Fragen für Industrie

Interessant in diesem Zusammenhang war diese Woche ein Treffen von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) mit Vytenis Andriukaitis, EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheitin Wien. Hartinger-Klein ortet nämlich Verbesserungspotenzial beim Informationsaustausch zwischen Zulassungsbehörden für Arzneimittel. So sei es etwa für den Hauptverband schwierig, sich frühzeitig auf die Entwicklung neuer Produktgruppen und Produkte einzustellen und entsprechende planerische Vorkehrungen zu treffen. Es müsse sichergestellt werden, dass besonders teure Medikamente auch einen entsprechenden Nutzen für schwerkranke Patienten haben, erläuterte die Ministerin. In Österreich funktioniere die Verfügbarkeit gut, das treffe aber keineswegs auf ganz Europa zu. Wie das nach der Kassenfusionaussehen wird, ist unklar.

Kritik an den türkis-blauen Reformplänen kam zuletzt vor allem aus dem schwarzen Tirol sowie von roten Gewerkschaftern, die in der Strukturreform ein Zurückdrängen von Arbeitnehmerinteressen sehen. Die Oberösterreichische Arbeiterkammer und die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (OÖGKK) warnten vor der „größten Enteignung in der Geschichte Österreichs”. Sparen sei bei der geplanten Zwangsfusionierung der Krankenkassen nur ein Vorwand, in Wirklichkeit gehe es um politische Kontrolle.
Das Gesetz zur Sozialversicherungsreform soll am 1. Jänner 2019 in Kraft treten; mit 1. April 2019 werden pro Träger Übergangsgremien zur Vorbereitung des Fusionsprozesses eingesetzt. Mit gleichem Datum will die Regierung die verordnete „Ausgabenbremse” bei den Sozialversicherungen wieder aufheben.
Die Pläne könnten allerdings aus mehreren Gründen noch scheitern, hat doch die Selbstverwaltung der Kassen, die formal verpflichtet ist, das Beste für die Versicherten tun zu müssen, bereits Klagen angekündigt. So will etwa die Niederösterreichische Krankenkasse gegen die vom Bund verordnete „Ausgabenbremse” beim Verfassungsgerichtshof klagen. Anlass dafür sind drei Bauprojekte der Krankenkasse sowie eine Personalentscheidung, die vom Sozialministerium gestoppt wurden. Das lassen sich die Niederösterreicher nicht gefallen und wollen das zugrundeliegende Gesetz, das seit Mitte August in Kraft ist, vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu Fall bringen. Die Ausgabenbremse begrenzt den finanziellen Spielraum der Kassen bei Ärzteverträgen, Bauprojekten und beim Personal. Dies aber in einem Maß, das nach Ansicht der Kassen „völlig überschießend” in die Selbstverwaltung eingreift. Daher die jetzige Klage.

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