••• Von Ulli Moschen
WIEN. Nach Gesprächen über einen möglichen Milliardendeal in der Sparte Tiermedizin mit Sanofi zum Jahreswechsel lässt der deutsche Pharmariese Boehringer Ingelheim nun mit einer Großinvestition für Österreich aufhorchen: Am Standort Wien Meidling wird in großem Stil in die biopharmazeutische Produktion investiert. 500 Mio. € sollen in eine neue Anlage fließen, in der Wirkstoffe mithilfe von Zellkulturen hergestellt werden. Die Detailplanung beginnt ab sofort, der Baubeginn ist Mitte dieses Jahres vorgesehen. 2021 soll die neue Produktionsanlage dann ihren Betrieb aufnehmen und mehr als 400 neue Arbeitsplätze schaffen.
Sog am Arbeitsmarkt
Boehringer Ingelheim geht davon aus, dass sowohl der Bau als auch die fertige Produktionsanlage einen „unglaublichen Sog” auf den Arbeitsmarkt Wien ausüben wird. In den nächsten fünf Jahren werden auf der Baustelle Hunderte bis Tausende Arbeiter benötigt werden, die Zulieferindustrie wie Kantine, Reinigungspersonal oder Technik wird ebenfalls gefragt sein. Auch für die Projektphase, bevor die Anlage in Produktion geht, ist man in den Bereichen Engineering, Infrastruktur und Projektmanagement auf der Suche nach hochqualifizierten Arbeitnehmern.
Mit den 500 Mio. € Kapital ist dies die größte Einzelinvestition, die Boehringer Ingelheim je getätigt hat, und auch das bisher größte Investitionsprojekt für Wien, wie Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien, erklärt. Die Wirtschaftsagentur hatte das Grundstück für das neue Gebäude 2009 erworben und 2014 an den Pharmakonzern weiterverkauft.
Boehringer Ingelheim produziert in Wien pharmazeutische Wirkstoffe unter Einsatz von Mikroorganismen. In den nächsten Jahren soll zusätzlich die Zellkulturtechnologie dorthin transferiert werden. An der Stellung vom deutschen Biberach als größter europäischer Zellkultur- und globaler Launch-Standort von Boehringer Ingelheim ändert sich dadurch nichts.
Internationale Konkurrenz
„Im Rahmen der Investitionsentscheidung haben wir verschiedene internationale Optionen geprüft, auch im Blick auf das Forschungsumfeld an möglichen Standorten”, sagt Andreas Barner, Vorsitzender der Unternehmensleitung.
„Damit ist es uns gelungen, den Wiener Standort langfristig abzusichern”, sagt Philipp von Lattorff, Generaldirektor des Wiener Standorts. In Betrieb gehen soll die Anlage voraussichtlich 2021, man werde aber alles daran setzen, bereits vorher fertig zu werden. Im Wettbewerb um die neue Anlage standen neben Wien Singapur, Irland und Deutschland. Die Entscheidung für den Standort in Wien sei eine strategische gewesen, da man das Risiko streuen wollte. Ausschlaggebend waren aber auch die Unterstützung durch die Stadt- und die Bundespolitik, das wissenschaftliche Umfeld, die hohe Lebensqualität sowie die „attraktive” Forschungsprämie, die in Österreich bei zwölf Prozent liegt, so von Lattorff.
Der Unternehmensverband Boehringer Ingelheim zählt weltweit zu den 20 führenden Pharmaunternehmen und gilt als einer der größten Hersteller von biopharmazeutischen Medikamenten. „Unsere eigenen vielversprechenden biopharmazeutischen Entwicklungsprojekte sowie die starke Nachfrage im Markt nach Auftragsproduktion waren Grundlage für die Entscheidung, in diesem Umfang nachhaltig in unsere Biopharmazie zu investieren”, erklärt Wolfgang Baiker, Mitglied der Unternehmensleitung mit Verantwortung für Produktion und Biopharmazie.
Stärkung für Tiergesundheit
Zum geplanten Deal mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi erklärt von Lattorff, er gehe davon aus, dass dieser Mitte dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen sein wird. Der Tausch der Geschäftsbereiche Tiergesundheit und Consumer Health Care wird auch Mitarbeiter in Wien betreffen. Wie diese künftig integriert werden, wird erst nach dem Abschluss entschieden. Der Standort in Wien ist verantwortlich für das Humanpharma- und Tiergesundheitsgeschäft und beherbergt das weltweite Krebsforschungszentrum von Boehringer Ingelheim. Das Unternehmen wird durch den Deal weltweit zur Nummer 2 in der Tiergesundheit aufsteigen.