Pharmarückzug aus Asien wird teuer und schwierig
© Sandoz
HEALTH ECONOMY Redaktion 22.05.2020

Pharmarückzug aus Asien wird teuer und schwierig

Die Abhängigkeit von Asien soll sinken, wird gefordert. Das Beispiel Sandoz zeigt, wie kompliziert das ist.

••• Von Martin Rümmele

Der börsennotierte Gummiverarbeiter Semperit Holding legt den Verkauf seiner Medizin-Sparte auf Eis. Semperit stellt Schutzhandschuhe für Untersuchungen und Operationen her. Heuer zu Jahresbeginn wurde die Sparte, die ein Drittel des Umsatzes stellt, zum Verkauf gestellt – und das hat für Kritik gesorgt. Die Corona-Pandemie veränderte allerdings das Geschäft mit sensiblen Produkten. Das Unternehmen setzt neue Prioritäten. Der Konzern teilte laut Agenturberichten mit: „Semperit kommt seiner Verantwortung für dieses Land nach und unterstützt die Republik mit medizinischen Handschuhen.”

EU kämpft gegen Abhängigkeit

Viel war in den vergangenen Tagen und Wochen von der Abhängigkeit von der Produktion von Medizinprodukten und Arzneimitteln von Asien – und vor allem von China und Indien – die Rede. Die EU-Gesundheitsminister haben zuletzt über die Arzneimittelversorgung in der Coronakrise und künftige Lösungen beraten. Die EU will die Abhängigkeit von Produktionen in Drittländern minimieren. Diskutiert wird nun über eigene Produktionsstätten in Europa, um die Versorgung zu sichern und die Abhängigkeit von anderen Ländern zu mindern.

Wie das gehen und wer das finanzieren soll, ist aber offen. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzt auf finanzielle Anreize, um die Produktion wichtiger Arzneimittel zurück nach Europa zu holen. Er will das Thema zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr machen. Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog begrüßt das. Grund für die bestehende Situation sei der zunehmende Kostendruck, der es für pharmazeutische Unternehmen immer schwieriger mache, in Österreich oder Europa Produktionsstätten aufrechtzu- erhalten, geschweige denn eine Produktion neu aufzubauen, sagt Herzog: „Die Preisspirale bei Arzneimitteln dreht sich seit Langem konsequent nach unten. Gleichzeitig steigen sämtliche Kosten, wie etwa Lohn- und Materialkosten. Wenn es gelingt, hier neue, finanzielle Anreize zu schaffen, dann können wir durchaus zuversichtlich sein, dass Europa und Österreich als Produktionsstandort wieder attraktiver werden.”
Genau hier liegt allerdings auch das Problem: Die Gesundheitssysteme stehen ihrerseits unter Kostendruck und sind zum Sparen angehalten. Angesichts hoher Personalkosten geht das aber nur über Kürzungen oder eben beim Einkauf. Wie schwierig hier Lösungen sind, zeigt neben dem Beispiel Semperit in diesen Tagen auch das Beispiel Penicillin. In Kundl in Tirol steht die letzte Produktion in Europa, und die zum Novartiskonzern gehörende Sandoz, die den Standort betreibt, überlegt aus Kostengründen Auslagerungen – nach Asien.

Suche nach Lösungen

„Es ist eine Tatsache, dass die kostendeckende Produktion von Penicillin extrem herausfordernd ist”, wird Novartis-Österreich-Chef Michael Kocher in Medien zitiert. Der Grund: „Ein Kilogramm Penicillin kostet am Weltmarkt 20 Dollar. Das ist weniger als für Kaugummi.” Nun schaltete sich auch die Bundesregierung ein: Ende der Vorwoche nahmen neben Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) an einem Gespräch mit Sandoz-CEO Richard Saynor und Kocher teil. Man will eine Taskforce einrichten, der sowohl Vertreter des Ministeriums als auch von Novartis angehören sollen und die Lösungen suchen soll.

Der Großhandel drängt indes auf Notlager. Was die Sicherheit erhöht, sei, entsprechende Bestände lagernd zu haben, wenn sie von der Bevölkerung benötigt werden, sowie die Logistik, um diese Medikamente rasch zur Verfügung stellen zu können, erklärt der Präsident des Verband der Arzneimittel-Vollgroßhändler Phago, Andreas Windischbauer. Auch hier steht die Branche aber unter Preisdruck.

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