••• Von Katrin Grabner
Zu wenig Personal, zu viele Regulierungen und ein anhaltender Spardruck – das österreichische Gesundheitssystem muss sich laut Unternehmer Julian Hadschieff derzeit mehreren Herausforderungen stellen. Der Eigentümer und CEO der Humanocare Group sieht dabei Chancen in Privatisierungen und wünscht sich gleichzeitig mehr Demut vor der Qualifikation ausländischer Fachkräfte, wie er gegenüber medianet erklärt.
medianet: Eines der größten Themen dieses Sommers im Gesundheitswesen – die Aufteilung des Gesundheitskonzerns Vamed. Ist die Aufregung berechtigt?
Julian Hadschieff: Ich finde die Aufregung rund um den Verkauf des Rehageschäfts an einen französischen Finanzinvestor recht erstaunlich. Die Entscheidung, die Vamed an ein börsenotiertes Unternehmen zu verkaufen, ist bereits 1996 gefallen. Dass das Ziehen einer längst vereinbarten Option für die verbleibenden 13 Prozent der Republik heute für Aufregung sorgt, ist wohl einer tagespolitischen Diskussion geschuldet.
medianet: Sie sind selbst privater Unternehmer im Gesundheitssystem – wie geht es der Branche?
Hadschieff: Der Trend zum privaten Gesundheitssystem ist ungebrochen. Der finanzielle Druck im System, insbesondere im öffentlichen, ist sehr hoch. Die Notwendigkeit für Reformen steigt. Auch wenn ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem eines verlässlichen Regelwerks bedarf, würde meiner Meinung nach eine Rücknahme der vielfältigen Überregulierung das Gesundheitssystem merkbar entlasten. Auch eine gewisse Trägervielfalt stärkt die Resilienz des Gesundheitswesens. Was noch wichtig wäre: Wir müssen raus aus dem Silosystem.
medianet: Silosystem heißt …
Hadschieff: Ambulant versus stationär, privat versus öffentlich. Alle versuchen, die Zuständigkeiten abzuschieben. Darunter leiden dann vor allem die Patienten und Patientinnen – die, wie ich glaube, sehr wohl wissen, was ihnen guttut. Stichwort Trägervielfalt: Hätten sie zusätzlich zu einem guten öffentlichen System noch mehr Wahlmöglichkeiten, hätte das bestimmt einen guten Impact. Grundsätzlich denke ich, braucht es im System einfach ein anderes Miteinander. Das sehe ich auch beim Rekrutieren von Pflegefachkräften aus dem Ausland.
medianet: Inwiefern? Hier hat es Erleichterungen bei den Nostrifzierungen gegeben – merken Sie davon schon etwas?
Hadschieff: Auch andere Länder bilden ausgezeichnete Pflegekräfte aus. Hier würde ich mir mehr Demut vor den Qualifikationen ausländischer Fachkräfte wünschen. Über unsere Tochterfirma Talent&Care haben wir bereits 300 Fachkräfte nach Österreich gebracht, viele aus Kolumbien. Abgesehen davon, dass es ohne Hilfe aus dem Ausland nicht mehr geht, sehen wir, dass andere Kulturen die Teams bereichern. Die letzte Gesetzesnovelle hat auf jeden Fall Erleichterungen bei den Nos-trifizierungen gebracht – das ist wichtig und hier gibt es zum Glück Fortschritte.
medianet: Pflegerecruiting im Ausland ist also ein erfolgreiches Geschäftsmodell?
Hadschieff: Ein notwendiges auf jeden Fall. Wir haben mittlerweile auch in den Bereich 24-Stunden-Betreuung expandiert und gleichzeitig ein IT-Unternehmen übernommen, um dem technischen Fortschritt gerecht zu werden. In diese Bereiche wird die Humanocare Group auch weiterhin investieren – wir wollen weiter wachsen und sind auf Expansion gebürstet. Im österreichischen Gesundheitswesen, und auch in anderen europäischen Ländern, findet durch den Personalmangel, aber auch durch Künstliche Intelligenz und Ähnliches, ein Umbruch statt. Und ein System im Umbruch bietet immer gute Chancen, etwas Neues entstehen zu lassen.