Reform vor Gericht
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SPÖ-KritikStatt der versprochenen schlankeren Strukturen werde durch die fusionierte Gesundheitskasse eine zusätzliche Verwaltungs­ebene und damit ein „Verwaltungsmoloch” geschaffen, sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.
HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 15.03.2019

Reform vor Gericht

SPÖ und OÖGKK bringen erste Verfassungsklagen gegen die Kassenreform ein. Mehrere Punkte seien verfassungswidrig.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Die SPÖ und die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse sind die ersten, die die Reform der Sozialversicherungen mit der Zusammenlegung der 21 Träger auf künftig fünf vor den Verfassungsgerichtshof bringen. Die Klagen wurden nun vorgestellt – weitere sollen folgen. Der frühere VfGH-Richter Rudolf Müller führte allein bei der SPÖ-Klage sechs Punkte als verfassungswidrig an. Für die OÖGKK ist das Gesetz schlicht unsachlich, weil die Reform allein auf eine Senkung der Verwaltungskosten abziele, die allerdings insgesamt lange nicht jene Milliarde ausmachen, die die Regierung als „Patientenmilliarde” einsparen will.

Entscheidung im Herbst

Zum Prozedere erläuterte Müller, dass die Regierung acht Wochen Zeit habe für eine Gegenstellungnahme an den VfGH. Theoretisch könnte damit bereits in der Juni-Session eine Entscheidung fallen, für wahrscheinlicher hält er es aber, dass dies erst im Herbst oder in der Dezember-Session geschehen werde. Das Verfahren könnte sich aber auch über mehrere Sessionen ziehen. Angekündigt wurde auch bereits eine mündliche Verhandlung.

Als Punkt, der seiner Ansicht nach verfassungswidrig ist, führte Müller an, dass die Kassenfusion dem Effizienzgebot widerspreche: Es gebe keinen Grund für die Fusion, keinen Missstand, sie bringe nichts. Betriebswirtschaftlich spreche alles dagegen, es bestehe die Gefahr, ein gut funktionierendes System zu zerschlagen.
Die vorgesehenen Eignungstests für die Versichertenvertreter, von denen Prüfungen im Sozialversicherungs- und Haushaltsrecht verlangt werden, widersprechen den demokratischen Grundsätzen, meinte der Experte. Für nicht verfassungskonform hält Müller auch die Parität zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern in den Gremien. In der Krankenversicherung der Unselbstständigen seien die Dienstgeber Außenstehende, sie zahlen auch nur 28,9 Prozent ein. „Auf die Idee der Parität ist noch niemand gekommen.” Zudem hält es Müller für erstaunlich, dass im Überleitungsgremium und dann im ersten Halbjahr 2020 im Verwaltungsrat ein Dienstgeber den Vorsitz führt.
Verfassungswidrig ist für den Experten vor allem der Eingriff in die Selbstverwaltung. Die Ministerin könne in fast alle Geschäfte eingreifen. Der zuletzt bekannt gewordene Fall, dass in der AUVA das Ministerium als Aufsichtsbehörde die Gehaltserhöhung für OP- und Gipsassistenten nicht genehmigt hat, werde künftig gang und gäbe. Außerdem könnten etwa Verträge mit Ärzten aufgehoben werden. Auch die Übertragung der Beitragsprüfung an die Finanzämter sei ein Eingriff in die Selbstverwaltung und damit verfassungswidrig. Schließlich hält es Müller auch für arbeitsrechtlich fraglich, ob Dienstnehmer etwa von den Krankenkassen zum Prüfdienst der Finanzämter zwangsweise versetzt werden können.
Für den früheren Verfassungsrichter ist die ganze Angelegenheit jedenfalls nicht so harmlos, wie sie manchmal dargestellt werde. Wenn die Klage nicht durchgehen sollte, hätte das wohl auch Auswirkungen auf die Selbstverwaltung in anderen Bereichen.

Fehlende Wirtschaftlichkeit

Hart sind auch die Argumente der OÖGKK: Die Verfassung fordere, dass wirtschaftliche Überlegungen zu einem Gesetz genau überdacht werden, erläutert Rechtsanwalt Michael Rohregger. „Und diese Hausaufgabe hat der Gesetzgeber hier nicht gemacht.” Wenn man eine Folgenabschätzung mache und sehe, dass das Gesetz keine Vorteile bringe, dann sei die Reform unsachlich und könne vom VfGH gekippt werden. Und in diesem Fall seien die Gründe, mit denen die Fusion argumentiert werde, einfach nicht gegeben.

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