WIEN. Würde man Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, Vorhofflimmern und Fettstoffwechselstörungen vorbeugen, könnte jeder zweite Schlaganfall verhindert werden. Darauf wies Reinhold Glehr, Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien hin.
25.000 Schlaganfälle ereignen sich jedes Jahr. Jeder sechste Betroffene stirbt daran, gut die Hälfte der Überlebenden kann nach einer adäquaten Therapie und nach einer oft langwierigen Rehabilitation wieder ein normales Leben führen. 15% – das sind 7.000 Menschen – bleiben mehr oder weniger stark beeinträchtigt, ebenso viele werden zum Pflegefall, sagte der Innsbrucker Neurologe Stefan Kiechl, der Präsident der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft.
„Das Gesundheitsbewusstsein ist zwar gestiegen, die Verdrängung bleibt aber gleich”, konstatierte der steirische Allgemeinmediziner Glehr. „Solange nichts passiert, fühlt man sich nicht betroffen.” Das bedeutet zugleich, dass der Abschied von Zigaretten, ungesunder Ernährung, Alkohol und Bewegungsmangel schwerfällt. Eine Möglichkeit, die Menschen zur Abkehr von solchen lieb gewordenen Gewohnheiten zu motivieren, sieht Glehr in Gesprächen zwischen Hausarzt und Patienten. „Die Gesprächsmedizin gehört anerkannt und honoriert”, sagte der Allgemeinmediziner an die Adresse der Krankenkassen. Für das Gesundheitssystem stellen Schlaganfälle einen beträchtlichen Kostenfaktor dar: Etwa 500 Mio. € beträgt der finanzielle Aufwand für Therapien und Rehabilitation im ersten Jahr nach der Erkrankung, etwas höher sind die Kosten, die durch spätere Rehamaßnahmen, Spätkomplikationen, Medikamente, Arbeitsunfähigkeit und Pflege anfallen.
Ein Schlaganfall tritt dann auf, wenn das Gehirn nicht ausreichend mit Blut versorgt wird. Zu 85% ist ein blockiertes Blutgefäß die Ursache (ischämischer Insult), in 15% das Platzen eines Gefäßes (hämorrhagischer Insult). In Sachen Therapie hat sich in den vergangenen Jahres vieles getan. „Entscheidend ist, dass der Patient sofort kommt”, betonte Kiechl. 38 spezialisierte Einrichtungen, sogenannte Stroke Units, stehen österreichweit zur Verfügung, dazu elf Interventionszentren. Behandelt wird ein ischämischer Schlaganfall, indem das Blutgerinnsel durch ein injiziertes Medikament aufgelöst wird.
Therapie macht Fortschritte
Die Fortschritte in der Behandlung von Schlaganfällen: Fünf von zehn Patienten werden wieder gesund, vor 20 Jahren waren es drei von zehn. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine 78-Jährige einen Schlaganfall erleidet, ist gesunken, die absoluten Zahlen der Betroffenen sind aber gestiegen. Zurückzuführen ist das auf die immer größere Zahl älterer Menschen. Trotzdem ist der Schlaganfall nicht allein eine Sache des höheren Alters: Rund 1.000 Fälle pro Jahr in Österreich betreffen Menschen bis 45 Jahren. (APA/red)