Beckhoff: „Ingenieure müssen die Welt retten”
© Beckhoff Automation
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 20.06.2025

Beckhoff: „Ingenieure müssen die Welt retten”

Österreich-Geschäftsführer Armin Pehlivan im großen medianet-Interview über Innovation, KI – und Fische.

••• Von Alexander Haide

 

Seit 45 Jahren ist die Beckhoff Automation GmbH & Co. KG eine treibende Kraft in der globalen Automatisierungsbranche und erzielte 2024 einen weltweiten Umsatz von 1,17 Mrd. €. Zu den technologischen Meilensteinen, mit denen Beckhoff den Markt geprägt hat, gehören unter anderem die Idee der PC-basierten Steuerungstechnik oder die Busklemme als heute unverzichtbarer Grundbaustein von Automatisierungslösungen. Produkte von Beckhoff finden sich in den unterschiedlichsten Branchen, von der Automobilindustrie, Medientechnik, Batterieproduktion über Druck- und Entertainmentindustrie, bis hin zu Verpackungs- und Werkzeugmaschinen – um nur einige zu nennen. Armin Pehlivan ist Geschäftsführer von Beckhoff Österreich, mit der Zentrale in Bürs/Vorarlberg.


medianet:
Automatisierung hat bereits viele unserer Lebens- und Arbeitsbereiche dramatisch verändert. Was kommt in Zukunft auf uns zu?
Armin Pehlivan: Vom Unternehmensgründer und geschäftsführenden Gesellschafter des Gesamtunternehmens, Hans Beckhoff, stammt der Satz ‚Ingenieure müssen die Welt retten'. Wir automatisieren Maschinen für allerlei Dinge, das reicht vom Abfüllen von Flüssigmedikamenten bis hin zur Nahrungsmittelindustrie. Damit man Milliarden von Menschen ernähren, anziehen, bewegen oder ausbilden kann, werden Energie und Ressourcen benötigt, um enorme Mengen an Produkten herzustellen. Das ist nur mit Automation vernünftig zu lösen. Die Automatisierungstechnik per se wird immer weiterwachsen, da die Bedürfnisse der Menschen gleich bleiben und sie ihre Lebenssituation verbessern möchten.

medianet:
Beckhoff ist in vielen unterschiedlichen Branchen tätig. Was ist die gemeinsame Basis aller Unternehmungen?
Pehlivan: Dass die Hardware von der Software unabhängig ist. Mit der Software nähere ich mich der Applikation an. Ich schreibe ein Programm, etwa für die Herstellung von Lebensmitteln oder Medikamenten, natürlich immer bezogen auf die jeweilige Maschinentype. Die Hardware bleibt die gleiche. Hans Beckhoff hat sich bereits in den 1980er-Jahren dazu entschlossen, als Grundbasis, als Hardware, den PC zu verwenden. Der PC bietet all diese Möglichkeiten und offenen Schnittstellen, die benötigt werden, um andere Gewerke oder Ideen anderer Menschen einfachst in unser System, in unser Environment, zu integrieren.

medianet:
Gab es niemals einen Konflikt PC versus Apple?
Pehlivan: Nein, denn wir hatten nie eine Apple-Plattform vorgesehen. Designmäßig sind wir auf gleichen Ebenen unterwegs wie Apple und vom Designanspruch ähnlich. Derzeit öffnen wir zusätzlich zum Betriebssystem Nummer eins, Windows, unsere Software für den Linux-Bereich. 40 Jahre lang haben wir ausschließlich Windows-Betriebssysteme mit Adaptierungen echtzeitfähig gemacht, um Maschinen im Echtzeitmodus betreiben zu können. Nun öffnen wir unsere Automatisierungssoftware TwinCAT hinsichtlich der Runtime auch für die Linux-Welt und damit für einen weiteren Markt.

medianet:
Demnächst stellt Beckhoff neue Produkte in allen Soft- und Hardware-Bereichen vor. Was ist zu erwarten?
Pehlivan: Die SPS als Softwarefunktion – TwinCAT PLC – ist seit jeher zentrales Element in unserer Software. Dieses Produkt bleibt auch nach wie vor bestehen, wird nun aber zusätzlich durch TwinCat PLC++ ergänzt. Dabei handelt es sich bis hin zu den Compilern um eine Eigenentwicklung, die sich nahtlos in das bisherige TwinCAT-Ökosystem integriert. Der gleiche Steuerungscode lässt sich mit TwinCAT PLC++ bis zu doppelt so schnell ausführen wie bisher. Als Highlight ermöglicht der neue Compiler, diesen Steuerungscode im Hinblick auf die Ausführungszeit zusätzlich zu optimieren.

 

medianet: Wie weit revolutioniert oder verändert der Einsatz von KI Ihr Geschäft bzw. die Programmierungsarbeit?
Pehlivan: Wir setzen natürlich stark auf KI und haben mit TwinCAT CoAgent einen eigenen intelligenten Engineering-Assistenten entwickelt. Vom Ablauf her schöpft KI aus einem See an Informationen und isoliert daraus den richtigen ‚Fisch', ein brauchbares Produkt.

Im Internet-See befinden sich viele gesunde und kräftige, aber auch viele falsche Fische. Wenn meine Suchanfrage genau auf einen dieser falschen Fische trifft, dann angle ich auch den falschen Fisch. In jenem Teich, in dem unsere KI fischt, befinden sich nur ausgewählte Programme, deren Struktur von uns geprüft wurde. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich den passenden Fisch zu einem Thema erhalte, groß und es ist auf jeden Fall garantiert, dass es ein gesunder Fisch ist. KI bietet für uns extreme Vorteile hinsichtlich Kosten- und Zeitersparnis, bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung.

 

medianet: Beckhoff ist in mehr als 75 Ländern aktiv. Wo liegt der Schwerpunkt?
Pehlivan: Große Kernmärkte sind die USA, Europa und China.

medianet:
Wie sehr bereitet Ihnen die aktuelle US-Präsidentschaft Kopfzerbrechen?
Pehlivan: Hysterisch zu überreagieren bringt jetzt nichts. Natürlich gibt es interne Kommunikationen, wie wir uns verhalten werden. Wir müssen abwarten, was am Ende Fakt sein wird. Es betrifft uns ja nicht alleine, sondern auch unsere größten Mitbewerber. Es gibt aber keine Überlegungen, sich vom amerikanischen Markt abzuwenden.

medianet:
Im Jahr 2024 ist Ihr Umsatz um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Das hatten Sie erwartet …
Pehlivan: Es war nicht unsere erste Krise. Jene kommunizierten 33 Prozent Rückgang waren nicht unerwartet, da die Jahre davor völlig überzogen waren: Der Markt ist heiß gelaufen. Es gab eine Beschaffungskrise und die Kosten der Bauteile sind explodiert.

Wir haben selbst keine Bauteile mehr bekommen und unsere Lieferzeiten sind von zwei bis drei Wochen auf dreißig, vierzig Wochen angestiegen. Die Kunden haben mit noch größeren Bestellungen reagiert. Dann hat der Markt abrupt gestoppt. Unsere Kunden hatten viel zu viel Material, zum Teil einen Jahresbedarf an unseren Komponenten auf Lager. Deshalb war es für uns absehbar, dass die Kunden nichts zusätzlich kaufen würden, da die Lager voll waren.


medianet:
Wie sah dadurch die Personalsituation aus?
Pehlivan: Das Kernpersonal wurde komplett behalten, mit Leiharbeitern wird rangiert und einige wurden abgebaut.

medianet:
Bleibt die wirtschaftliche Achterbahn?
Pehlivan: Die weltpolitische Lage mit zu vielen Krisenherden ist unschön. Die sich daraus ergebende Unsicherheit ist keine gute Basis für große Investitionen. Wenn wieder Ruhe und Frieden einkehrt, wird meiner Meinung nach auch die Wirtschaft sofort wieder anspringen und die Achterbahn geht wieder in die andere Richtung.

medianet:
Dennoch investiert Beckhoff jährlich rund 80 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. Passiert das intern oder in Kooperationen, etwa mit Unis?
Pehlivan: Das geschieht zu 95 Prozent intern, aber es gibt Kooperationen, zum Beispiel mit der TU Wien und diversen Universitäten in Deutschland, zu denen wir sehr gute Kontakte pflegen.

medianet:
Merken Sie bei der Rekrutierung von Fachpersonal einen Engpass?
Pehlivan: Wir unterhalten eine Entwicklungsabteilung in Wien für den mechanischen Teil unserer Roboterentwicklung. Dort habe ich zurzeit viel zu viele Bewerbungen. Es kommt auch darauf an, was man den Mitarbeitern bietet. In Österreich haben wir vor zwei Jahren die Vier-Tage-Woche eingeführt und das kommt sehr gut an.

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