Infrastrukturboom: Höhere Drehzahl für Konjunkturmotor
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Helga Krémer 21.05.2021

Infrastrukturboom: Höhere Drehzahl für Konjunkturmotor

Massive Investitionen in Infrastruktur sollen weltweit Konjunktur boosten. Und wäre in den USA längst überfällig.

WIEN. Die Konjunkturhilfen, die derzeit auf globaler Ebene zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eingesetzt werden, bringen kräftige Impulse für die Weltwirtschaft. Zusätzlich sollen gigantische Investitionen in Infrastruktur den Konjunkturmotor noch kräftiger ankurbeln, falls alles so umgesetzt werden kann, wie es die USA und Europa bereits kommuniziert haben, schreiben die Experten der Steiermärkische Sparkasse Private Banking in ihrem jüngsten Marktkommentar. Die massiven Investitionsprogramme würden auch positive Impulse für diejenigen Firmen, die in diesen Bereichen tätig sind, bringen – insbesondere für Energie-, Telekommunikations- und Industrieunternehmen.

"Während China schon vor Jahren unter dem Projektnamen „One Belt, One Road“ mit dem Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze zwischen China und den Ländern Afrikas, Asiens und Europas begonnen hat, stehen die USA und Europa mit ihren Programmen in den Startlöchern – wenngleich der Startschuss noch von den Gegenfinanzierungen abhängt", sagt Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse.

Marode amerikanische Infrastruktur
In den USA wollte Donald Trump bereits ein Infrastrukturprogramm durchführen und um rund zwei Bio. US-Dollar Straßen, Flughäfen, Internetleitungen und Wasserwege erneuern und ausbauen. Dazu ist es wegen des Widerstandes aus dem US-Senat aber nicht gekommen. Der amtierende US-Präsident Joe Biden wagt nun mit dem „American Jobs Plan“ einen erneuten Vorstoß. Bei den Ambitionen, die die USA auf der weltpolitischen Bühne haben, ist das auch dringend notwendig: Gemessen an der Qualität der Infrastruktur nehmen die Vereinigten Staaten nur den 13. Platz im internationalen Ranking ein.

Anhand der Ergebnisse einer Studie, die die Umsetzung des Plans untermauern soll, zeigt sich der dringende Bedarf für eine Modernisierung. Von den rund 1,4 Mio. Kilometern des US-Straßennetzes befinden sich zirka 275.000 Kilometer in einem schlechten Zustand. Das entspricht rund einem Fünftel des gesamten Straßennetzes. Die daraus entstehenden Überlastungen und Verzögerungen beim Verkehr verursachen jährliche Kosten von rund 160 Mrd. US-Dollar. Auch der öffentliche Transport benötigt eine dringende Überholung. 24.000 Busse und 5.000 Züge müssen ausgetauscht werden und sogar die Flughäfen in den USA sind im internationalen Vergleich veraltet. Unter den Top 25 der modernsten Flughäfen weltweit findet sich kein einziger US-Flughafen. Nicht besser präsentiert sich das Stromnetz. Die Spitze des Eisbergs war der massive Stromausfall in Texas vor ein paar Wochen, der dazu führte, dass viele US-Bürger im Süden des Landes tagelang ohne Strom und Wasser auskommen mussten. Nach Schätzungen des Energie-Ministeriums kosten Stromausfälle wie diese den Staat fast 70 Mrd. US-Dollar jährlich.

Aufholen bei F&E
Joe Bidens Plan sieht auch Investitionen in Humankapital, Forschung und Entwicklung vor. Die Ausgaben für F&E waren zuletzt rückläufig, sodass die USA gegenüber China, das in dem Bereich im globalen Ranking mittlerweile an zweiter Stelle liegt, viel an Boden verloren hat. Der 26-seitige Bericht listet weitere Vorhaben auf, etwa die Modernisierung der Wasserleitungen. Millionen von US-Haushalten beziehen ihr Trinkwasser noch immer aus gesundheitsschädlichen Bleirohren.
In Summe werden rund 2,2 Bio. US-Dollar für den „American Jobs Plan“ veranschlagt. Da dieser gigantische Betrag Trumps geplante Ausgaben für die Infrastruktur sogar übersteigt, stellt sich die Frage, ob Joe Biden in den nächsten Wochen genügend Kongress-Abgeordnete für sein Vorhaben gewinnen wird. Der amtierende US-Präsident möchte zur Gegenfinanzierung die Steuererleichterungen seines Vorgängers Trump für Unternehmen wieder rückgängig machen und den Steuersatz für Unternehmensgewinne von derzeit 21% auf 28% anheben. Das soll über die nächsten 15 Jahre zusätzliche Steuereinnahmen von mehr als zwei Bio. US-Dollar in die Kassen spülen, wodurch die geplanten Ausgaben fast gedeckt wären.

Zukunftsfittes Europa
Europa will in den nächsten Jahren ebenfalls riesige Summen in die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung pumpen, um den Kontinent zukunftsfit zu machen. Neben der Bekämpfung der Auswirkungen der Corona Pandemie soll Europa umweltfreundlicher, krisenresistenter und digitaler werden. Mit dem Green Deal soll bis 2050 die Klimaneutralität erreicht werden. Darüber hinaus werden über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021- 2027 sowie über das Projekt „NextGenerationEU“ Gelder in noch nie dagewesener Höhe bereitgestellt. In Summe sollen 1,8 Bio. Euro investiert werden.
"Ähnlich wie in den USA stellt sich auch in der EU die Frage nach der Gegenfinanzierung. In den nächsten Wochen sollen Eckdaten dazu präsentiert werden. Am wahrscheinlichsten sind aus heutiger Sicht eine Digitalsteuer und ein CO2-Grenzausgleichssystem für Importe von Nicht-EU-Ländern in die EU, während mittelfristig Planungen im Bereich einer Finanztransaktionssteuer sowie einer neuen gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage im Raum stehen", so Eberan. (hk)

 

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