Neue (Klapp-)Brücken braucht der Globus
© Asfinag
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 19.03.2020

Neue (Klapp-)Brücken braucht der Globus

Weltpremiere bei der S 7 Fürstenfelder Schnellstraße.

WIEN / FÜRSTENFELD. Es gibt verschiedene Methoden, eine Brücke zu bauen – aber die neue Technik der TU Wien ist etwas ganz Besonderes: Die Brücke entsteht nicht horizontal, wie sonst üblich, sondern sie wird vertikal errichtet und dann ausgeklappt. Erste Versuche wurden bereits im Jahr 2010 durchgeführt, nun ist die Technik ausgereift. Beim Bau der S 7 Fürstenfelder Schnellstraße wurde die neue Technologie von der Asfinag gleich zweimal eingesetzt: Zuerst am Lahnbach, und nun, am 27. Februar 2020, für eine Brücke über die Lafnitz, mit einer Länge von 116 m. Nach knapp dreieinhalb Stunden war der Absenkvorgang erfolgreich beendet. Weil man für die neue Brückenbau-Methode kein Gerüst errichten muss, kann man damit Zeit, Geld und Ressourcen sparen.

Das Regenschirm-Prinzip
„Je nach Größe und Standort verwendet man heute ganz unterschiedliche Brückenbau-Techniken“, sagt Prof. Johann Kollegger vom Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien. Wenn die Brücke nicht allzu hoch ist, kann man ein Gerüst bauen, das die Brücke während der Bauphase trägt. Man kann auch zuerst einen Brückenpfeiler errichten und sich von dort aus auf genau ausbalancierte Weise in beide Richtungen voranarbeiten. Oder man baut stabile Stahlträger, die dann in waagrechter Position Stück für Stück eingeschoben werden.
Die Technik, die Johann Kollegger entwickelte, funktioniert völlig anders: An beiden Seiten eines Betonpfeilers werden senkrecht Träger montiert, die dann ausgeklappt werden können, ähnlich wie ein Regenschirm. „Die beiden Träger sind oben, direkt über dem Pfeiler, durch ein Gelenk miteinander verbunden“, erklärt Kollegger. „Mit hydraulischen Anlagen wird dieses Gelenk dann langsam abgesenkt, dabei klappen sich die Träger auf beiden Seiten aus.“

Die Träger bestehen aus dünnwandigen Fertigteilen mit Stahlbewehrung und sind zunächst hohl. Erst wenn sie die endgültige Position erreicht haben, werden sie mit Beton ausgegossen. „Würde man zuerst ein Gerüst bauen und darauf eine Brücke errichten, würde das Monate dauern. Die Klappkonstruktion hingegen lässt sich in zwei bis drei Tagen aufstellen, und der Ausklappvorgang dauert ungefähr drei Stunden“, sagt Kollegger. Die neue Brückenbautechnik spart nicht nur Zeit, sondern auch Geld, und die Haltbarkeit der Brücke ist gleich oder sogar besser als bei anderen Brückentechnologien, wie Kollegger betont. Besonders vorteilhaft ist die Klapp-Methode, wenn man schwieriges Gelände überbrücken möchte, in das man nicht stark eingreifen möchte – etwa in einem Naturschutzgebiet, wie im Fall der nun gebauten Lafnitz-Brücke.

Mut zur Innovation
Die Asfinag errichtet derzeit die neue Schnellstraße S 7, die in der Nähe von Fürstenfeld über den Lahnbach und über die Lafnitz führt. „Die Asfinag legt Wert auf höchste Qualität und es ist uns auch immer sehr wichtig, so umweltschonend wie möglich zu bauen“, sagt Bernhard Streit, Projektleiter von der Asfinag. „Mit dieser innovativen Methode konnten wir beide unsere Ansprüche in diesem sensiblen Gebiet erfüllen. Daher freuen wir uns über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der TU Wien“, so Bernhard Streit. Die Brücke über den Lahnbach wurde in mehreren Schritten zwischen Oktober 2019 und Januar 2020 bereits errichtet. Nun, am 27. Februar wurde auch die noch etwas größere Brücke über die Lafnitz ausgeklappt.

„Für uns ist das ein Riesenerfolg, und wir freuen uns, dass die Asfinag hier eine weltweite Vorreiterrolle einnimmt“, meint Kollegger. Er arbeitet seit Jahren an der neuen Brückenbau-Methode: Bereits 2006 wurde die Idee patentiert, 2010 wurden von der TU Wien erste Versuche durchgeführt, viele Detailfragen waren im Lauf der Jahre zu klären – von den Metall-Gelenken, die den Kräften beim Ausklappen standhalten müssen, bis zu den hydraulischen Litzenhebern, mit denen die Konstruktion Schritt für Schritt abgesenkt wird. „Nun haben wir bewiesen, dass die Technik ausgereift ist und bestens funktioniert“, sagt Kollegger. „Wir hoffen, dass sie sich durchsetzt und bald zu den gängigen Brückenbautechnologien gehört, die auf der ganzen Welt angewendet werden und die Schnellstraße S 7 zum internationalen Vorreiter wird.“

Die technischen Daten
Die Träger der beiden Brücken sind 36 m lang – das ergibt im aufgeklappten Zustand eine Spannweite von 72 m. Jeder Träger wiegt ca. 54 t. Nach dem Aufspannen werden die Lücken zwischen der Brücke und den Brückenköpfen auf beiden Seiten noch mit Einhängeträgern geschlossen, dadurch ergibt sich eine Gesamtlänge von ca. 100 m bei der Lahnbachbrücke und 116 m bei der Lafnitzbrücke. Bei jeder der beiden Brücken wurden vier solche Klapp-Konstruktionen nebeneinander errichtet, um die nötige Breite für die Schnellstraßen-Fahrbahn zu erreichen.

Neben dem Auftraggeber, der Asfinag Bau Management GmbH, und Johann Kollegger (TU Wien und Kollegger GmbH), der für Entwurf und Berechnung zuständig war, waren auch noch einige weitere Projektpartner beteiligt: Die Schimetta Consult ZT GmbH (Planung), die Öhlinger + Partner Ziviltechniker GmbH (Prüfingenieur), Spirk + Partner (örtliche Bauaufsicht), Kostmann GmbH (ausführende Firma), Franz Oberndorfer GmbH (Fertigteile), KB Vorspann-Technik GmbH (Vorspannung, Hebetechnik). Unterstützt wurde das Forschungsprojekt von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH, vom Verband Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke, von der Asfinag Bau Management GmbH und der ÖBB Infrastruktur AG. (pj)

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