WIEN. Die Agenda der Energiewende ist mit dem Europäischen Green Deal bereits gesetzt – das langfristige Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ist klar definiert. Um dieses Ergebnis zu erreichen, müssen Europas Energieversorger – als die wichtigsten Treiber der Wende – ihren Anteil an erneuerbaren Energien in ihrem Erzeugungsportfolio noch deutlich ausweiten. Allerdings besteht unter den Energieunternehmen selbst wenig Zuversicht, die Klimaziele auch zu erreichen: Nur 14% der Top-Entscheider glauben, dass ihre bisher gesetzten Transformationsmaßnahmen ausreichen, um die Energiewende zu schaffen. Der Handlungsdruck ist groß. Denn Österreichs Energieversorger sind, was ihr Operating Model betrifft, noch unzureichend aufgestellt. Das zeigen die Ergebnisse der Analyse „Die eigene Transformation aktiv gestalten – Wie sich europäische Energieversorgungsunternehmen neu organisieren müssen“ von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, die unter CEOs und C-Level-Führungskräften von Energieunternehmen in Österreich, Deutschland und der Schweiz durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wurden erstmals beim diesjährigen KitzSummit in Kitzbühel vorgestellt und mit CEOs, Expertinnen und Experten aus der heimischen Energiebranche diskutiert.
„Der europäische Energiesektor erlebt aktuell eine der größten Transformationen. Allerdings stehen die Energieversorger bei dieser Mammutaufgabe erst am Anfang. Für das Gelingen der Energiewende – und somit einem Beitrag zum Bewältigen der Klimakrise – sind sie aber der wichtigste Treiber. Ohne sie kann die Wende nicht gelingen“, sagt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich.
Bisherige Transformation nicht weit genug
Die jüngsten makroökonomischen Entwicklungen haben zwar bei rund 81% der befragten Top-Entscheider dazu geführt, dass sie sich in ihrem Unternehmen nun stärker auf dessen strategische Ausrichtung fokussieren. Mehr als drei Viertel (77%) von ihnen haben bereits strategische Veränderungen eingeleitet – etwa in Form einer Neuausrichtung von Unternehmensbereichen oder der Gesamtunternehmensstrategie. Jedoch sind 86% der Führungskräfte der Meinung, dass in ihrem Unternehmen hinsichtlich der Umgestaltung ihres Operating Models noch zu wenig getan wird, um die Energiewende und zukünftige Herausforderungen zu bewältigen.
Tiefergehende Änderungen nötig
Die Studie zeigt, dass die Energieversorger tiefergehende Änderungen ihres Operating Models bisher noch kaum vorgenommen haben. So gibt der Großteil der Befragten, die bereits eine Änderung eingeleitet haben, an, lediglich kleinere Maßnahmen wie eine begrenzte Anpassung der Organisationsstruktur (91%), der betrieblichen Abläufe oder Zuständigkeiten (82%) sowie der Personalressourcen (73%) bereits durchgeführt zu haben. Dahingegen wurden tiefergehende Maßnahmen zu Organisationstransformation noch deutlich weniger häufig umgesetzt. Etwas mehr als die Hälfte (55%) der Befragten meint, bereits Allianzen gebildet oder M&A-Prozesse initiiert oder unternehmensinterne Prozesse grundlegend überarbeitet zu haben (45%).
„Wir sehen, dass die bisherigen Maßnahmen nur an der Oberfläche kratzen. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern bei gleichzeitig rasantem Ausbau von Erneuerbaren, von Speichermöglichkeiten und Wasserstoffinfrastruktur erfordert ein grundlegendes Überdenken des organisatorischen Setups“, erklärt Strategy&-Experte Schneider.
Veränderungsbereitschaft und Offenheit
In der Studie wurden die Top-Entscheider auch nach jenen Aspekten gefragt, die für eine erfolgreiche Transformation am wichtigsten und ausbaufähigsten sind. Das Ergebnis ist überraschend: Im Bereich „Kultur und Mindset“ besteht aktuell der größte Handlungsbedarf. Insbesondere eine offene Denkweise (88%) und Flexibilität (82%) sind für die Befragten ausschlaggebend. Hier spielen vor allem die Veränderungsbereitschaft sowie die Offenheit gegenüber Stakeholdern eine große Rolle. In den Bereichen „Prozesse und Schnittstellen“ sowie „Strukturen und Ressourcen“ wurden häufig interne Schnittstellen (82%) und funktionsübergreifende Teams (83%) als wichtigste Bausteine genannt, was zum Teil auf den zunehmenden Bedarf an interner Zusammenarbeit zur Bereitstellung integrierter Lösungen zurückzuführen ist. Weiters werden im Bereich „Fähigkeiten“ digitale Kompetenzen am wichtigsten eingeschätzt (79%).
„Diese Zahlen verdeutlichen, dass eine Umgestaltung des Operating Models in allen Dimensionen notwendig ist: Sie erfordert nicht nur neue Prozesse, Fähigkeiten und Schnittstellen – vor allem im Hinblick auf den digitalen Anlagenbetrieb – sondern geht viel tiefer. Transformation verlangt einen regelrechten Mindset-Shift. Wir müssen das Operating Model, die Art und Weise wie Energieversorger aufgebaut sind und wie sie ticken, grundlegend transformieren“, erklärt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich abschließend.
Zu den vollständigen Ergebnissen der Studie: www.strategyand.pwc.com/de/de/industrie-teams/energie/eigene-transformation.html