Was sich die Elektroniker von der Politik wünschen
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 12.12.2019

Was sich die Elektroniker von der Politik wünschen

FEEI präsentiert Forderungs- und Maßnahmenkatalog an die künftige Bundesregierung.

WIEN. Ob in den Bereichen Forschung & Entwicklung, Arbeit & Bildung, Infrastruktur & Mobilität, Klima & Energie, der rasant fortschreitenden Digitalisierung oder hinsichtlich klarer strategiepolitischer Zielsetzungen in der Industriepolitik: „Auf die künftige Bundesregierung kommen aus der Sicht der Elektro- und Elektronikindustrie in der nächsten Legislaturperiode viele neue, aber auch altbekannte Herausforderungen zu. Diese erfordern in den nächsten fünf Jahren entschlossenes politischen Handeln, damit der Standort Österreich auch weiterhin international auf diesem hohen Niveau mitspielen kann“, appelliert FEEI-Geschäftsführer Lothar Roitner.

Akuten Handlungsbedarf sieht der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie, dessen Mitgliedsunternehmen jene Schlüsseltechnologien entwickeln, welche die Digitalisierung überhaupt erst möglich machen, vor allem hinsichtlich klarer strategiepolitischer Zielsetzungen in Österreich und Europa. Diese Technologien müssen in Österreich und Europa gehalten werden und eine Abwanderung des Know-hows muss verhindert werden. „Wir sehen uns damit konfrontiert, dass Drittstaaten wie die USA und China klare strategiepolitische Zielsetzungen verfolgen, um die Kontrolle über Schlüsseltechnologien zu erlangen und zu halten – auch in Europa“, sagt FEEI-Obmann Wolfgang Hesoun, im „Hauptberuf“ bekanntlich Chef von Siemens Österreich. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, dass wir unsere digitale Führungsrolle dort behaupten, wo wir sie vor allem in der Industrie haben. Wir müssen endlich in Österreich und Europa eine selbstbewusste Industriepolitik entwickeln und bereits vorhandene strategiepolitische Instrumente zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit umfassender etablieren, damit Europa seine globale Handlungsfähigkeit erhalten kann. Das muss von der künftigen Bundesregierung vollumfänglich mitgetragen werden.“

Aus der Sicht des FEEI bedarf es ebenso dringend fairen Rahmenbedingungen („Level Playing Field“), damit österreichische und europäische Unternehmen keine Nachteile im internationalen Wettbewerb erleiden. „Wenn Anbieter aus Drittländern Zugang zum europäischen Markt haben, muss das für Unternehmen aus Europa in diesen Ländern ebenfalls gelten“, verlangt Hesoun. Der FEEI fordert hier auch, dass dafür dienliche Gesetzmaterie wie die Erweiterung des Außenwirtschaftsgesetzes um Untersagungsgründe, die unter der letzten Bundesregierung ausgearbeitet wurde, nun rasch umgesetzt wird. Ebenso muss eine strengere Investitionskontrolle gemäß dem Vorschlag der EU-Kommission auf nationaler Ebene sowie ein echtes Bestbieterprinzip bei öffentlichen Auftragsvergaben umgesetzt werden.

Kein Wachstumshemmnis durch den Fachkräftemangel
In der Elektro- und Elektronikindustrie sind gut ausgebildete Fachkräfte eine wichtige Voraussetzung dafür, um das volle Innovationspotenzial der Branche auszuschöpfen. Laut Lothar Roitner wird der Fachkräftemangel immer mehr zum Hemmnis für Wachstum und technologische Innovation in Österreich: „Wir sind als Elektro- und Elektronindustrie vom mittlerweile dramatischen Fachkräftemangel in technischen Berufen besonders betroffen. Uns gehen die hochqualifizierten Arbeitskräfte aus, denn die Digitalisierung erfordert exorbitant mehr gut ausgebildete Fachkräfte als noch vor einigen Jahren. Die haben wir schlicht nicht. Die künftige Bundesregierung muss diesem Umstand entgegenwirken, sonst werden wir als Standort in der Digitalisierung auf der Strecke bleiben.“

Das aktuelle Bildungssystem in Österreich begünstigt diesen dramatischen Umstand, denn es bringt zu wenige naturwissenschaftlich und technisch interessierte Absolventen hervor. Vom Pflichtschulbereich bis zu den Hochschulen müssen von der künftigen Bundesregierung dringend notwendige Reformen angestoßen und begrüßenswerte Entwicklungen unter der letzten Regierung (z.B. Einführung des Fachs Digitale Grundbildung) intensiviert werden. „Das verstärkte Angebot von MINT-Ausbildungen im schulischen Kontext ist essenziell, und wir brauchen in Österreich zudem dringend mehr Studienplätze im technischen Bereich“, fordert Roitner. „Für uns ist es absolut nicht nachvollziehbar, dass beispielsweise die FH Technikum Wien trotz des akuten Fachkräftemangels im letzten Jahr 1.500 qualifizierte Bewerber für technische Studien - obwohl diese das Aufnahmeverfahren erfolgreich absolviert hatten - aus Mangel an der Finanzierung von Studienplätzen abweisen musste. Das ist für uns als wissensbasierte Zukunftsindustrie einfach fatal. Wir reagieren viel zu wenig schnell auf die rasante Entwicklung von Technologie und auf neue Geschäftsmodelle, die völlig neue Berufsbilder und Beschäftigungstypologien hervorbringt. Hier erwarten wir von der künftigen Regierung einen umfassenden zielgerichteten Dialog.“

Energieeffizienz ausbauen
Die Elektro- und Elektronikindustrie bringt jene modernen Innovationen hervor, um dem globalen Klimawandel wirksam entgegenzutreten. Beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen müssen österreichische Stärkefelder wie Wasser- und Windkraft genutzt und gleichzeitig Fehlallokationen vermieden werden. Ebenso wird die Effizienzierung von Energiesystemen in den unterschiedlichsten Bereichen dafür eine maßgebliche Rolle spielen. Die wiederum kann zu einer großen wirtschaftlichen Chance für Österreich und die heimische Industrie werden. „Wir müssen das Potenzial der Digitalisierung für die Energieeffizienz nutzen und unsere Elektrizitätsinfrastruktur dementsprechend mit Smart Grids und intelligenten Speichersystemen ausstatten. Die Förderung von Forschung und Entwicklung von diesen Technologien muss verstärkt werden. Hier braucht es steuerliche Anreize für die Bereiche Gebäude, Verkehr und die Industrie statt einem Verpflichtungssystem“, so Wolfgang Hesoun. Österreich ist hier im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt, wie das Beispiel Smart City Seestadt Aspern beweist. Die künftige Regierung muss Rahmenbedingungen schaffen und sich dafür einsetzen, damit sich Österreich als Leitmarkt für diese Technologien positionieren kann. „Wenn unsere bereits vorhandenen Umwelttechnologien weltweit entsprechend eingesetzt werden, würden wir den Klimazielen viel schneller viel näher kommen“, so Hesoun weiter.

Eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur ist die Lebensader jedes Wirtschaftsstandorts. Sie bedeutet kürzere Wege in der Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft. „Wir müssen in Österreich die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass wir schon lange identifizierte Wachstumstreiber wie Elektromobilität und automatisiertes Fahren wirtschaftlich nutzen können“, appelliert Hesoun an die künftige Bundesregierung, die Infrastruktur regelmäßig zu modernisieren, um den Anforderungen eines modernen Lebens und eines zukunftsfähigen Wirtschaftsstandortes zu entsprechen. Gleichzeitig müsse die Schienen- und Bahninfrastruktur weiter ausgebaut und intelligente Lösungen bei der Intermodalität des Verkehrs implementiert werden. Dies kann zur Chance für Österreichs innovative und exportorientierte Bahnindustrie werden und Österreich als Bahnland Nr. 1 in Europa und als wichtigen Logistikstandort weiter stärken. (pj)

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